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Vor dem Konsulat: Türken stehen Schlange für Freikauf vom Militärdienst

Die Polizei ist mit fünf Mannschaftswagen dabei – nur für den Fall, dass grollenden jungen Männern die Nerven durchgehen. Ärger habe es nicht gegeben, sagt ein Polizist.

Seit drei Uhr früh stehe er vor dem Konsulat, sagt Nedim. Am Mittag hat es der junge Türke immer noch nicht geschafft, ins Generalkonsulat an der Heerstraße vorgelassen zu werden. Mit 70, 80 anderen Männern zwischen 20 und 40 wartet er vor dem massiven Metallzaun darauf, im Konsulat einen Antrag stellen zu können. Die Männer wollen sich für 5000 Euro von der Wehrpflicht freikaufen. Das geht angeblich nur noch bis zum 1. Dezember. Nach einer Gesetzesnovelle soll der Freikauf dann 10.000 Euro kosten.

Nedim, Kaym und Yalcin rauchen, reden, holen sich in einem kleinen Laden dreihundert Meter weiter einen Kaffee für einen Euro. Die meisten fassen sich in Geduld, einige sind sauer über die Mitarbeiter des Konsulats, die ihre Landsleute nur nach Anmeldung auf einer Liste vorlassen. Einer schimpft, er habe Leute aus dem Konsulat am Fenster stehen und lachen sehen. Ein anderer spottet, so werde das nichts mit dem Beitritt zur EU.

Seit diesem Dienstag geht das so vor dem großen Gebäude, vor dem stolz und knallrot die türkische Fahne im Herbstwind weht. Nachts um zwei seien sie gekommen, hört man von manchen Antragsstellern. Sie sind warm angezogen, haben Mappen mit Papieren unter dem Arm und viel Lauferei vor sich. Nedim erzählt, wenn er den Antrag gestellt habe, müsse er zu einer türkischen Bank in Kreuzberg. Mit dem Einzahlungsbeleg müsse er dann abermals ins Konsulat. Ein anderer Mann denkt laut darüber nach, wie sein Chef es finde, dass er nicht zur Arbeit komme, weil er sich freikaufen will vom Militär.

Die Polizei ist mit fünf Mannschaftswagen dabei – nur für den Fall, dass grollenden jungen Männern die Nerven durchgehen. Ärger habe es nicht gegeben, sagt ein Polizist. Er verhehlt nicht, dass er verstehen kann, warum mal einer der Männer am Gittertor rüttelt. Yalcin in einer dicken Kapuzenjacke sagt, eine Reform des Freikauf-Gesetzes sei schon länger im Gespräch gewesen. Doch plötzlich habe es geheißen, die Reform komme zum 1. Dezember. Er habe es aus den Fernsehnachrichten. Seit fünf Uhr morgens stehe er nun hier und warte. Ein BSR-Mann kommt vorbei und kehrt mit einem Plastikrechen Massen von Kaffeebechern zusammen. Wenigstens der Mann aus dem Kaffeeshop hat etwas von der türkischen Gesetzesnovelle.

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