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In der Kritik. Saskia Ludwig kandidiert bei der Bundestagswahl am 24. September für den Wahlkreis 61, zu dem Potsdam und Umgebung gehören.

©  Kai-Uwe Heinrich

Vor der Bundestagswahl: Journalist verklagt Brandenburger CDU-Kandidatin

Die CDU-Politikerin Saskia Ludwig will in den Bundestag – doch nun gibt es Vorwürfe, die ihre Glaubwürdigkeit berühren.

Er ist immer noch aufgewühlt, dass er sich bei dieser Dame so täuschte. „Zum ersten Mal in meinem Berufsleben. Ich war blauäugig“, sagt Hans-Rüdiger Karutz irgendwann, als er über seine Begegnung der anderen Art mit Saskia Ludwig erzählt, der Brandenburger CDU-Landtagsabgeordneten und früheren Parteichefin, die es jetzt in den Bundestag zieht. Wobei ihr Karutz helfen wollte. Er ist ein älterer Herr, 76 Jahre, vor allem aber, ein renommierter Journalist.

Er war Chefreporter der „Welt“ und der „Berliner Morgenpost“, bis er 2003 in Pension ging. Vor dem Fall der Mauer hatte Karutz – nach Buchhändlerlehre, Volontariat, Stationen als Redakteur beim Kölner Stadtanzeiger und dem Tagesspiegel – seit 1981 das Berliner Büro der „Welt“ geleitet. Er war DDR-Korrespondent für das bürgerlich-konservative Springer-Blatt.

Ein reizvolles Angebot

Das mag die Anfrage erklären, die ihn Anfang Juni erreichte. Und zwar über die Kommunikationsfirma WMP, deren Aufsichtsratschef der frühere „Bild“-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje ist. In der Region ist Tiedje zudem bekannt, weil er neben dem mittlerweile wegen Betrugs verurteilten früheren Koko-Mann Axel Hilpert der Co-Geschäftsführer und auch Mitgesellschafter am Resort Schwielowsee war. Man suche, so schrieb jedenfalls ein WMP-Mitarbeiter am 7.Juni an Karutz, „einen erfahrenen Berlin-Brandenburger Journalisten, der der Politikerin Saskia Ludwig bei ihrem Wahlkampf bis zum September mit Rat und Tat zur Seite stehe“. Das habe ihn gereizt, sagt Karutz.

Saskia Ludwig, die 49-jährige Landtagsabgeordnete und Unternehmerin, kandidiert am 24. September für den Bundestag im Wahlkreis 61, zu dem die Landeshauptstadt Potsdam und umliegende Gemeinden gehören. Sie will das Direktmandat holen, so wie sie es schon seit 2004 drei Mal hintereinander für das Landesparlament schaffte. Sie hat und pflegt den Ruf, wertkonservativ zu sein, das durchzuziehen, wovon sie überzeugt ist. In der eigenen Partei ist sie dennoch umstritten, weil sie die Nähe zur AfD suchte und als Merkel-Kritikerin gilt.

Mit Elan gestartet...

Wie es Karutz schildert, war es Tiedje persönlich, der den Kontakt vermittelte. Er traf sich mit Ludwig am 15. Juni im „Heider“. Man sei sich in allen Punkten einig geworden, so Karutz, auch über das Honorar, „3000 Euro pro Monat, für die Zeit von Juni bis September.“ Per Kopfnicken sei es besiegelt worden, mündlich, worin er kein Problem sah. Warum auch? Ein Wort gilt. Und noch in der Nacht habe er erste Vorschläge an Ludwig geschickt, etwa den, statt „Deutschland“ den Begriff „deinland“ zu verwenden. Er gab auch eine kritische Einschätzung zu den Plakaten Ludwigs ab: „Aus meiner Sicht – und Sie wollen ungeschminkte Kommentare – zu nahe an der AfD-Programmatik von Heimat, Nation etc.....“

Am nächsten Morgen ging es gleich los. Er fuhr zu einer Beratung des Ludwig-Wahlkampfteams, wo es auch gleich ums Eingemachte ging, um Interna. Dort sei, so schildert er es, zum Beispiel eine Beschwerde erörtert worden. Es ging um den DAK-Firmenlauf in Potsdam, bei dem Ludwig mit einem Team gestartet war. Doch nun hatte jemand Anstoß daran genommen, dass ein Ludwig-Läufer in der Kategorie „Bester Azubi“ gewonnen hatte, aber kein Azubi, sondern Polizist sei. Ludwig habe das in der Runde bestätigt, erinnert sich Karutz. Was man tun könne? Er habe geraten, von einem „Büroversehen“ zu sprechen, sagt Karutz. Nach der Beratung habe ihn Ludwig mit dem Auto nach Berlin mitgenommen, man plauderte, alles schien in Ordnung.

...doch gleich ausgebremst

Doch am nächsten Morgen ging bei Karutz ein Mail von Ludwig ein, wonach „eine Zusammenarbeit nicht nötig“ sei, sie alles abblies. Er sei aus allen Wolken gefallen, so Karutz. Was ihn umtrieb, schrieb er in einem Brief an Ludwig am 21.Juni 2017: „Ich kann (und will) - zumal in meinem Alter – Respekt und einen ordentlichen Umgang erwarten, bei dem gewiss von uns beide geteilte bürgerliche Normen nicht missachtet werden.“ Er schlug einen Vergleich vor, alles gegen eine einmalige Zahlung von 2000 Euro bewenden zu lassen. Gleichfalls, „scheue ich, falls notwendig, die sofortige juristische Auseinandersetzung nicht.“

Seitdem eskaliert alles. Ludwigs Anwalt bestreitet jedwede Vereinbarung mit Karutz: „Anders als Sie es jedoch darzustellen versuchen, hat Ihnen unsere Mandantin zu keinem Zeitpunkt weder mündlich noch schriftlich eine Mitarbeit zugesagt.“ Damit aber steht der Lügen-Vorwurf im Raum, geht es für Karutz um seine Ehre, um seinen Ruf.

Keine Einigung in Sicht

Auch er hat sich einen Anwalt genommen, einen, der öffentliche Aufmerksamkeit garantiert: Peter Michael Diestel, letzter DDR-Innenminister und einst der erste Chef der CDU-Landtagsfraktion in Brandenburg in den frühen 90ern.

Am 18. Juli schrieb Diestel an Ludwigs Anwalt: „Einer unserer Mandanten lügt offensichtlich in strafrechtlich relevanter Weise, und zwar in einer Art, die die zuständige Staatsanwaltschaft schon bei Kenntnis der Umstände zu eigenen Ermittlungen anhalten müsste. Wollen wir wirklich diesen Weg gehen?“ Näher kam man sich nicht. Was Diestel vorhat? „Wir bereiten eine Klage und eine Strafanzeige gegen Frau Ludwig vor“, sagte Diestel auf Anfrage. Der Tagesspiegel hat Ludwig 43 präzise Fragen zu den Vorwürfen gestellt. Statt 43 Antworten kam ein allgemeines Schreiben ihres Anwaltes samt der Korrespondenz beider Seiten. Und Ludwig veröffentlichte die Anfrage via Twitter, samt Anwaltsantwort, in der Karutz vorgeworfen wird, die Presse zu instrumentalisieren. Zur Causa des Polizisten heißt es darin nur: „Hinsichtlich des ersten Teilkomplexes Ihrer Fragen scheinen Sie von ihrem ,Informanten‘ einseitig informiert zu sein.“ Ein Dementi sähe anders aus.

Da war noch der Azubi

Der Tagesspiegel hat die Verfasser der Beschwerde, die sich wegen des Läufers an Ludwig gewandt hatten, ausfindig gemacht: Es war die Familie jenes Jugendlichen, der Zweiter wurde, aber auf dem Azubi-Siegertreppchen hätte stehen müssen: Max Wollnik, 15 Jahre, Schüler der 10. Klasse am Potsdamer Einstein-Gymnasium. „Es war schon unfair“, sagt Wollnik. In der Mail jedenfalls, die seine Familie an das Ludwig-Büro am 16. Juni geschickt hatte, hieß es: „Wäre es eine Fehlinterpretation des Veranstalters gewesen, hätten Sie jede Möglichkeit gehabt, dies richtigzustellen. Für diese jungen Menschen festigt sich damit die Meinung: Politik hat nichts mit Ehrlichkeit und Fairness zu tun, siegen um jeden Preis, es wird schon keiner mitkriegen.“ Am 21.Juni hatte die Familie noch einmal nachgehakt, vergeblich. Eine Antwort, eine Reaktion Ludwigs sei ausgeblieben, bis jetzt, sagt Wollnik.

Hans Rüdiger Karutz wundert sich darüber nicht. Nicht mehr.

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