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Berlin: Vorzugsbehandlung für einen Schatten

Klaus Wowereit versuchte es in Moskau mit Charme und Witz, den bewährten Waffen seiner Amtsführung. „Wir können stolz darauf sein, lieber Kollege Luschkow“, sagte der Regierende Bürgermeister Montagmittag bei der Eröffnung des Berlin Hauses in Moskau, „dass wir Repräsentanten zweier Metropolen mit einer so intensiven Partnerschaft sind“.

Klaus Wowereit versuchte es in Moskau mit Charme und Witz, den bewährten Waffen seiner Amtsführung. „Wir können stolz darauf sein, lieber Kollege Luschkow“, sagte der Regierende Bürgermeister Montagmittag bei der Eröffnung des Berlin Hauses in Moskau, „dass wir Repräsentanten zweier Metropolen mit einer so intensiven Partnerschaft sind“. Umso mehr freue er sich, dass er jetzt mit dem Berlin-Büro im neu eröffneten Haus einen Arbeitsplatz in der russischen Hauptstadt habe. „Und wenn Sie mich oft einladen“, beendete Wowereit seine kleine Ansprache mit einem schelmischen Lächeln, „werde ich oft kommen“.

Jurij Luschkow erwiderte das Lächeln seines jungen Kollegen nicht. Eine ernste Bemerkung zu seinem neben ihm stehenden Mitarbeiter, ein knapper Händedruck mit Wowereit, dann schritt Luschkow zum Mikrofon. „Lieber Regierender Bürgermeister Wowereit, lieber Eberhard Diepgen, mein sehr guter Freund – wir haben gute Arbeit geleistet“. Seinem lieben Freund Eberhard, der unten vor der Bühne steht, lächelt Luschkow jetzt herzlich zu.

Klaus Wowereit (SPD) hat in Moskau überraschend einen Schatten: seinen Amtsvorgänger Eberhard Diepgen (CDU). Dieser kam gemeinsam mit Gattin Monika auf Einladung Luschkows einen Tag vor Wowereit in die Partnerstadt und bleibt einen Tag länger. Die Diepgens wohnen wie Wowereit und seine Delegation im Nobelhotel Metropol am Roten Platz, aber das Paar hat sein eigenes, maßgeschneidertes Besuchsprogramm. Doch die Wege der beiden Berliner Politiker kreuzen sich in diesen Moskauer Tagen immer wieder. Diepgen, der sich in der Berliner Öffentlichkeit sehr rar macht, ist in Moskau ein entspannter Zaungast, der kommt und geht, wie es ihm passt. Einer, der endlich, ein Jahr nach seiner Abwahl, sein Schattendasein im Reich der Regierungschefs a. D. genießen kann. Doch leicht hat es Wowereit in Diepgens Schatten nicht.

Zunächst hatten die Herren aus der Senatskanzlei keine Ahnung davon, dass Diepgen bei der Eröffnung des Berlin Hauses Luschkows Gast sein würde. Sie hatten gedacht, er sei vom Investor eingeladen worden. Doch man sagte sich: Klar, es war Diepgen, der die Berlin-Moskauer Städtepartnerschaft gemeinsam mit Luschkow wieder begründete. Beide waren die ersten Schirmherren des Projekts Berlin Haus. Kein Problem also?

Kleine Missstimmungen am Rande gibt es doch. „Wir hatten auch keine Ahnung, dass Luschkow Diepgen so offensichtlich bevorzugen würde“, hieß es aus der Senatskanzlei-Runde. Laut letztgültigem offziellem Programm wollte Luschkow am Sonntagabend ein Essen für Wowereit geben. Schon auf dem Flughafen aber erfährt die Berliner Delegation von Luschkows Vize Iosif Ordschonikidse, der den Regierenden nachmittags begrüßt, dass man sich schon beim Abendessen wieder sehen werde. Luschkow könne nicht kommen, sondern müsse „überraschend“ an der Abschlussfeier der Moskauer Jugendolympiade teilnehmen. Eberhard und Monika Diepgen dagegen hatten am Sonntagmittag schon das Vergnügen, mit Luschkow zu essen: im Atelier von dessen Lieblingsbildhauer Sorab Zereteli. Das erfährt Wowereit am Sonntagabend von Diepgen selbst – ganz zufällig. Denn nach dem in bedrückter Atmosphäre verlaufenen Essen mit Vize-Bürgermeister Ordschonikidse – er entging vor wenigen Tagen einem Attentat – will der Regierende noch etwas von Moskau sehen. Gut gelaunt macht er sich vom Hotel aus mit seinen Begleitern aus der Senatskanzlei auf zum Biergarten „Orange“ – und begegnet Diepgen und dessen Frau. Wowereit bittet sie an den Tisch. Die Begegnung zwischen Wowereit und seinem Moskauer Schatten verläuft durchaus freundlich. Als es draußen kühl wird, siedelt man in die Hotelbar des Metropol über.Amory Burchard

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