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Berlin: Wachtel im Wickel

Salat, Mango und Co.: Karl Wannemacher folgt nicht einfach gängigen Trends. In der Küche des Alt-Luxemburg macht er aus Geflügel ein Überraschungspaket

Unwillkürlich neigen wir zu Wohlwollen gegenüber Menschen, in deren Leben gerade etwas Aufregendes geschieht. Bei Karl Wannemacher ist das so. Man muss ihn in seiner nicht gerade geräumigen, für das „Alt Luxemburg“ jedoch ausreichenden Küche erleben. Hier ereignen sich tatsächlich täglich Dinge, die in kulinarischer Hinsicht absolut erregend sind. Der in seinem Auftreten fast zu bescheidene Wannemacher würde von seiner Tätigkeit so nie sprechen, doch in gewisser Weise straft ihn das Menü Lügen.

Sein deutsch-französischer Kochstil, die Zurückhaltung in der Präsentation und seine Präzision haben ihm seit mehr als 22 Jahren als selbstständigem Restaurateur mehr als nur eben Wohlwollen eingetragen – gerade weil er bereit ist, moderne Anstöße zu verarbeiten, ohne gleich der jüngsten Mode zu verfallen. Sein Wachtelbonbon im Strudelteig ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür.

Seine erste Wachtel briet der Sohn des Saargebiets um das Jahr 1974 herum, als er im legendären Berliner Gourmetrestaurant „Maître“ am Herd stand. Der zierliche Vogel erinnerte ihn an die Hähnchen aus seiner Mutter Garten, die er zusammen mit seinen Geschwistern mühsam rupfen musste, bevor sie mit Kopfsalat und hausgemachten Pommes frites ein köstliches Mahl abgaben.

Seinerzeit benötigte niemand einen piepsenden Digitaltimer, wie Wannemacher ihn benutzt, um die Garzeit des Geflügels zu kontrollieren. Nach exakt acht Minuten schaut er in den Ofen und stellt fest, dass die gezwirbelten Enden seines wachteligen Knallbonbons bedenklich braun zu werden drohen. Mit zwei Fetzen Alufolie werden sie vor der Hitze geschützt, während der Rumpf noch ein wenig knuspriger werden darf.

Wie oft wird einem so ein Backspaß durch die Vorbereitungen verdorben. Dagegen hilft nur, die Gelegenheit beim Schopf zu packen – in diesem Fall zwei Wachteln, bei denen einen höchstens das Ausbeinen einmal kurz aus dem Konzept bringen könnte. Wofür Wannemacher mit geübten Griffen vielleicht zwei Minuten investiert, wird den Hobbykoch etwa zehn kosten. Der Rest ist nicht schwer, entfernt sich kaum von gewohnten Vorgängen in der häuslichen Küche. Und das Einpacken der mit Leber gefüllten Wachtelteile in Parmaschinken und Teigblättern ist dann fast so, als ob man sie in Geschenkpapier wickelte. Wenn die Thai-Mango gut gereift ist, schneidet man sie längs in drei Teile, deren schmaler mittlerer – wie Wannemacher meint – wie ein Brettchen wirkt, von dem sich nur die weichen Ränder verwenden lassen. Am einfachsten löst sich das gelbe Fleisch aus den Schalenhälften, wenn eine Suppenkelle verwendet wird. Die Verarbeitung zum Chutney, das der englisch-indischen Tradition entstammt, dürfte ein Kinderspiel sein. Letztlich aber kommt es auf den Salat an, der dem Gericht seine Würde verschafft. Gerade beim Frisée kommt es auf Frische an und der sachte an Meerrettich erinnernde Portulak soll mit seinen fleischigen Blättern eine Art Ergänzung bilden.

Wie alle Spitzenhäuser bekommt das „Alt Luxemburg“ seine Ware ins Haus geliefert, aber wenn Not am Koch ist, begibt sich Wannemacher gern ins KaDeWe. Das dortige, zumeist aus Burgund stammende Federwild bezieht sein feines Aroma aus einer Körnerdiät sowie dem Leben unter freiem Himmel. Tierisches Beifutter ist dagegen verboten.

Genauso wichtig wie die Aufzucht der Vögelchen ist deren Frische: Überlagerte Exemplare erkennt man an trockenen Stellen oder dunklen Flecken, während frische eine roséfarbene Haut besitzen. Wannemacher findet: „Einfach ein schöner Anblick.“

Restaurant „Alt Luxemburg“, Charlottenburg, Windscheidstr. 31, Tel. 3238730 (Mo. bis Sa. 19 bis 23 Uhr).

Am kommenden Sonnabend geht es weiter. In Folge 3 unserer Serie präsentiert Tim Raue vom Restaurant „44“ im Swissôtel sein Lieblingsrezept.

Thomas Platt (Texte), Kai-Uwe Heinrich (Fotos)

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