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Berlin: Waffengesetz mit Ladehemmung

Ab morgen gelten verschärfte Regeln. Aber wer soll sie überprüfen? Das fragen sich Sozialarbeiter und Polizisten

Es soll die Straßen sicherer machen. Es soll Schießereien in U-Bahnhöfen, wie am Donnerstag an der Station Schillingstraße und Messerstechereien verhindern: Ab dem 1. April gilt das neue Waffenrecht. Ob es aber die Erwartungen erfüllen kann, bezweifeln viele. Das „Gesetz zur Neuregelung des Waffenrechts“ sei zu harmlos einerseits, schwierig anzuwenden andererseits, bemängeln Polizisten und Sozialarbeiter. Damit folgen sie dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Andreas Trautvetter (CDU). Der sagt vorher, dass die Ordnungsämter überfordert sein werden, die Gesetze anzuwenden.

Das neue Waffengesetz enthält im Wesentlichen zwei Änderungen: Es verbietet Springmesser, asiatische Wurfsterne sowie Butterfly-, Fall- und Faustmesser. Die müssen von ihren Besitzern „untauglich“ gemacht werden, wie es bei der Polizei heißt. Bis zum 31. August können die Besitzer diese Messer auch bei der Polizei abgeben. Wer nach dem 1. April solche Messer bei sich trägt oder verkauft, macht sich strafbar.

Zudem enthält das neue Gesetz den „kleinen Waffenschein“ für Gas- und Schreckschusswaffen. Die dürfen ab sofort in der Öffentlichkeit nur noch mit dieser Erlaubnis herumgetragen werden. Besitzer dieser Waffen können den kleinen Waffenschein ab morgen bei jedem Polizeiabschitt beantragen. Das kostet 50 Euro Bearbeitungsgebühr. Die Behörde prüft vor Erteilung „die Zuverlässigkeit und persönliche Eignung“ des Waffenbesitzers. Kaufen kann jeder über 18 Jahre die Waffen weiter ohne den Schein. Und auch in der Wohnung aufbewahren.

Und da setzt auch die Kritik an: „So macht das Gesetz doch gar keinen Sinn“, sagt Streetworker Detlef Kumlehn. Er arbeitet seit 13 Jahren bei der Organisation „Gangway“ und kümmert sich um gewaltbereite Jugendliche in Kreuzberg. „Da wird doch keiner von denen nun plötzlich sein Butterfly-Messer untauglich machen oder es bei der Polizei abgeben. Und 50 Euro für eine Erlaubnis ihrer Gasknarre geben die bestimmt nicht aus.“ Kumlehn bezweifelt, dass die Polizei genug Kapazitäten hat, „um nun die Jungen und Mädchen auf der Straße zu kontrollieren“. Er zitiert das Rauchverbot: Unter 16 Jahren dürfen Jugendliche nicht qualmen. „Und, halten sie sich daran? Nein“, sagt Kumlehn.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert das neue Waffengesetz als zu harmlos. Es könne kaum Rohheitsdelikte verhindern, bei denen häufig Gaswaffen im Spiel sind. GdP-Sprecher Wolfgang Dicke plädiert für eine Kennzeichnungs- oder Registrierungspflicht auch für Waffen, die nicht waffenscheinpflichtig sind. Allein der Erwerb dieser Waffen hätte im Gesetz erschwert werden müssen. „Außerdem ist das Gesetz praktisch nicht anwendbar“, weil die Verordnungen fehlen“, sagt auch Dicke. Stattdessen gibt es „vorläufige Vollzugshinweise“, an die sich die Beamten halten müssen. „Unsere Kollegen müssen all das ausbaden. Sie hatten nur wenige Tage Zeit, sich in die Materie einzuarbeiten und werden nun mit Anträgen und Anfragen überflutet werden.“

Das verschärfte Waffengesetz ist die Reaktion auf das Schulmassaker von Erfurt. Im April 2002 tötete Schüler Robert S. mit seiner Sportwaffe 16 Menschen und sich selbst.

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