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Berlin: Wahl in den Bezirken (2): Wer schlägt tragfähige Brücken in Friedrichshain-Kreuzberg?

Da ist noch lange nicht zusammengewachsen, was doch, zumindest laut Bezirksreform und Sonntagsreden, zusammen gehört. Den Ost-West-City-Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg treffen die vorgezogenen Neuwahlen zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt.

Da ist noch lange nicht zusammengewachsen, was doch, zumindest laut Bezirksreform und Sonntagsreden, zusammen gehört. Den Ost-West-City-Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg treffen die vorgezogenen Neuwahlen zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt. Noch sind nicht mal alle Raumprobleme gelöst, die Bürgerämter unvollständig, die Bebauung des Gleisdreiecks und die Nutzung des Revaler Vierecks nicht geklärt. Wegen des frisch ausgebrochenen Wahlkampfs konnte wegen verschärfter Partei-Polemik nicht mal der Haushalt für das kommende Jahr verabschiedet werden. Ein gequältes "Jetzt gehts grad nicht" verschiebt alle dringend anliegenden Aufgaben auf den Tag nach der Wahl.

Die Bewohner des sozial schwächsten Bezirks mit dem niedrigsten durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen und der geringsten Fläche, dessen per rot-rot-grüner Zählgemeinschaft gewählte PDS-Bürgermeisterin Bärbel Grygier so optimistisch ans Werk ging, müssen warten: auf eine neue City-Identität jenseits von Ost-West-Animositäten, auf Konzepte, auf Entscheidungen, auf die Richtung - auf die Wahl. Deren Ausgang ist völlig offen, denn PDS, SPD, CDU und Grüne, die aus den vergangenen Wahlen nahezu gleich stark hervorgingen, liefern sich auch diesmal ein erbittertes Kopf-an-Kopf-Rennen. Grafik: Friedrichshain-Kreuzberg: BVV und Bezirksinfo Die Grünen gehen vorsorglich pikiert auf Distanz zur PDS, erklären die Zusammenarbeit für gescheitert und die Bürgermeisterin für autoritär. Zwar schließt hier niemand eine erneute Zählgemeinschaft aus, doch wäre das Zähneknirschen in diesem Fall vor allem bei den Ost-Grünen wohl noch lauter als im Jahr 2000. Die SPD gibt sich zurückhaltender - und, angesichts der Berliner Großwetterlage, siegesgewiss. Man rechnet trotz einer verkleinerten BVV mit mehr als den 16 Sitzen, die die Partei jetzt hat. Die PDS, 1999 mit 19 Sitzen stärkste Fraktion, will ihren Stimmenanteil halten - und wieder die Bürgermeisterin stellen, "auch mit Hilfe der CDU, wenn es sein muss", witzelt der PDS-Fraktionsvorsitzende Kurt Mildner-Spindler. Er weiß natürlich, dass das mit der CDU nicht zu machen ist. Die Christdemokraten verfallen wieder ganz in ihren aus Kreuzberger Zeiten gewohnten scharfen Asoziale-Raus-Jargon, mobilisieren gegen Druckräume für Fixer, beschwören den Untergang des Bezirks im tiefroten Sumpf. Auch der moderate CDU-Finanzstadtrat und stellvertretende Bürgermeister Michael Schäfer, der gut mit Grygier zusammenarbeitet, schlägt nun wahlkampfbedingt härtere Töne an: "Wandschmierereien sind Vandalismus und keine Kunst", oder: "Die Wagenburg an der Revaler Straße ist illegal." Schäfer will Bürgermeister werden. Jedes Ergebnis, das der CDU mehr als 15 Sitze beschert, sei "okay".

Zu der vor einem Jahr euphorisch als "historischer Tag" verkündeten Zählgemeinschaft meint der SPD-Sozialstadtrat und Spitzenkandidat Lorenz Postler nur: "Naja". Die Zusammenarbeit mit der PDS sei zunehmend schwieriger geworden. Auch sein Genosse und Kreisvorsitzender Stefan Zackenfels findet insbesondere die parteilose Bürgermeisterin "schwierig", weil man oft nicht wisse, wo man bei ihr dran sei. Nur bei einzelnen Themen wie dem Kampf gegen den Rechtsradikalismus sei es "gut gelaufen". Postler hält eine Neuauflage der rot-rot-grünen Zusammenarbeit dennoch "prinzipiell für eine gute Lösung".

Bei der SPD rechnet man damit, dass es diesmal für zwei Stadträte reicht. "Die CDU wird einen verlieren", prognostiziert Postler. Auf den Bezirk und auf das Rathaus sieht er schwere Zeiten zukommen: "Wir haben zehn Millionen Mark Miese, da sind strukturelle Einsparungen nötig, aber in seinem eigenen Bereich will keiner zurückstecken." Deshalb setzt Postler einige Hoffnung in die ab 2006 vom Gesetzgeber vorgesehenen Koalitionen auch auf Bezirksebene. Und deshalb kommen die jetzigen Wahlen in seinen Augen auch besonders ungünstig.

Katharina Körting

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