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Der Berliner Patient: Die Verwaltung kränkelt.

© dpa

Wahl-Serie: Ämter: Wie die Verwaltung im wachsenden Berlin auf der Strecke bleibt

Seit 30 Jahren wird an der öffentlichen Verwaltung in der Hauptstadt herumgedoktert – mit bescheidenen Erfolgen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eine bürgernahe und wirtschaftsfreundliche Verwaltung ist in Berlin seit 30 Jahren ein großes Thema. Eine Enquête-Kommission, die nach dem damaligen Innensenator Erich Pätzold (SPD) benannt wurde, legte 1984 ein Konzept zur Reform des öffentlichen Dienstes vor, das die Diskussion nachhaltig prägte. Wenig später beschleunigte der Mauerfall den Prozess. Zwei hoch subventionierte und personell aufgeblähte Bürokratien, die sehr teuer waren, wuchsen zusammen und mussten verschlankt und modernisiert werden.

Manche Teile der Verwaltungsreform, wie die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung, waren den Bürgern egal. Doch es gab auch lebensnahe Projekte, etwa die Gründung der Bürger- und Ordnungsämter. Es wurde viel experimentiert, oft zulasten der Beschäftigten im Landesdienst.

Unter der Sparpolitik, die nach dem Amtsantritt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) 2001 durchgezogen wurde, um Berlin zahlungsfähig zu halten, litt die öffentliche Verwaltung sehr. Sogar die Gehälter der Bediensteten wurden gesenkt.

Strittig war auch die Gebietsreform, die 2001 in Kraft trat. Aus 23 Berliner Bezirken wurden zwölf. Die Diskussion war damals nicht weniger emotional als bei der Kreisgebietsrefom in Brandenburg. Im Gegenzug wurden die Bezirke als kommunale Entscheidungsträger aufgewertet. Ein Zuwachs an Selbstständigkeit und politischer Macht, den die Bezirke nicht mehr missen wollen, der sie aber teilweise überfordert.

Die Stadt wächst - die Verwaltung muss sich anpassen

Das vorläufige Fazit: Die Modernisierung der Berliner Verwaltung ist bisher nur ansatzweise gelungen. Konzepte sind vorhanden, aber es gibt ein Umsetzungsproblem. Es fehlen fachkompetente und durchsetzungsfähige Reformer im Senat und Abgeordnetenhaus. Und die Rahmenbedingungen verschlechtern sich. Zwar ist die turbulente Vereinigungs-Ära vorbei und Berlin leidet nicht mehr unter akuter Finanznot, aber die Stadt wächst dramatisch und ist auf dem Weg zur Vier-Millionen-Metropole. Verwaltung und Infrastruktur müssen aufgerüstet werden.

Dieser Prozess hat gerade erst begonnen. Und weil die Einsicht so spät gereift ist, dass die Verwaltung einen neuen Reformschub braucht, hat sich die Lage zugespitzt. Mit Händen zu greifen ist das bei den Bürgerämtern, die kurz vor dem Zusammenbruch standen. Zögernd wurde nachgesteuert, seit 2014 hat der Senat für die Bürgerämter 117 neue Stellen bewilligt, Arbeitsabläufe und Technik sollen verbessert werden.

Momentan entspannt sich die Lage etwas. Man bekommt für An- und Abmeldungen wieder zeitnah Termine und muss mit dem Antrag auf einen neuen Personalausweis „nur“ noch bis September warten. Personalmangel und hohe Krankenstände, schlechte Organisation und eine uneinheitliche IT-Ausstattung sind aber nicht behoben.

Der durchschnittliche Verwaltungsbeamte ist 50 Jahre alt

Entscheidend wird sein, ob der Senat die Überalterung des öffentlichen Dienstes in den Griff bekommt, indem qualifizierter Nachwuchs in ausreichender Zahl rekrutiert wird. Die Beschäftigten der Landesverwaltung sind durchschnittlich 50 Jahre alt, bis 2023 werden altersbedingt 27.800 Vollzeitstellen frei, die neu besetzt werden müssen.

Besonders betroffen sind die Bereiche Bauen, Planen, Vermessung und Betriebstechnik (39 Prozent des Stellenbestandes müssen neu besetzt werden). Gefolgt von Jugend und Soziales (36 Prozent), Gesundheit, Sport und Umwelt (33 Prozent) sowie Bildung, Forschung, Kultur und Wissenschaft (29 Prozent).

Zusätzlich muss der Personalbestand aufgestockt werden, denn mit der steigenden Einwohnerzahl wächst der Bedarf an öffentlichen Dienstleistungen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass jährlich bis zu 6000 neue Mitarbeiter eingestellt werden müssen.

Für Mangelberufe wie Ärzte, Bautechniker und IT-Fachkräfte gibt es jetzt schon spezielle Werbekampagnen. Der neue Werbeslogan für die Berliner Verwaltung heißt: „Hauptstadt machen“. Im Wettbewerb um gutes Personal sind der Bund und Brandenburg eine starke Konkurrenz – und sie zahlen besser.

Offene Stellen müssen schneller nachbesetzt werden

Die Gehälter der öffentlichen Angestellten in Berlin sollen 2017 das Niveau der anderen Bundesländer erreichen, bei den Beamten wird dies noch ein paar Jahre dauern. Die Lehrer will der Senat nicht verbeamten, auch das erschwert die Personalsuche. Berlin versucht, dieses Manko mit verstärkter Ausbildung von Nachwuchskräften, mit unbefristeten Stellen und familienfreundlichen Arbeitsplätzen auszugleichen. Außerdem sollen die Stellen schneller besetzt werden. Aktuell dauert es durchschnittlich fünf Monate, bis ein Bewerber eingestellt ist.

Völlig offen ist, ob und wie das schwierige Verhältnis zwischen Senat und Bezirken neu gestaltet wird. Die Bezirke klagen vor allem über Unterfinanzierung und zentralistische Einflussnahmen. Der Senat wiederum fordert eine größere Kooperationsbereitschaft der Bezirke und kritisiert parteipolitisch motivierten Eigensinn und ineffektive bezirkliche Verwaltungsstrukturen.

Ein weiteres Mega-Problem ist die nur langsam voranschreitende Digitalisierung der Verwaltung. Ein E-Government-Gesetz wurde gerade erst auf den Weg gebracht und es hängt von der nächsten Regierung ab, ob es auch mit Leben erfüllt wird.

Vor einigen Jahren legte das Deutsche Institut für Urbanistik ein Konzept für die „Service-Stadt Berlin 2016“ vor. Darin steht der schöne Satz: Eine Reform der Verwaltung setze „eine hohe Bereitschaft bei allen Beteiligten, Akteuren und Betroffenen, voraus“.

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