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Berlin: Wahlen in Berlin: Noch drücken sie sich vor der Ampel

Laut mag keiner darüber reden, aber in den Hinterzimmern ist sie das Thema: eine Berliner Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen. Denn allein bekommt Rot-Grün keine Mehrheit, sagen die Demoskopen.

Laut mag keiner darüber reden, aber in den Hinterzimmern ist sie das Thema: eine Berliner Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen. Denn allein bekommt Rot-Grün keine Mehrheit, sagen die Demoskopen. Und Rot-Rot scheint weder wirklich gewollt noch durchsetzbar.

Zum Thema Online Spezial: Berlin-Wahl 2001 WahlStreet.de: Die Wahlbörse bei Tagesspiegel Online Unter vier Augen sprechen die Herren schon mal über gemeinsame Perspektiven. Im ZDF-Talk "Berlin-Mitte" beharkten sie sich noch nach allen Regeln des politischen Geschäfts. Aber kaum waren die Kameras am 10. Juli ausgeschaltet, ging es harmonisch zu zwischen dem Berliner FDP-Chef Günter Rexrodt und dem SPD-Spitzenkandidaten Klaus Wowereit. Um zu hören, was der andere so denkt. Ganz unverbindlich.

Worüber Rexrodt und Wowereit so locker plauderten, rückt als Regierungsoption in Berlin in greifbare Nähe. Die CDU schwächelt weiter, und eine Neuauflage der Großen Koalition hat Klaus Wowereit kategorisch ausgeschlossen. Auf eine rein rot-grüne Mehrheit mögen nicht einmal mehr die Sozialdemokraten vertrauen. Ein Mehrheitsbeschaffer scheint nötig. Bleiben PDS und FDP. Für die Liberalen ist ein Ampel-Bündnis aus SPD, FDP und Grünen derzeit die einzig realistische Option einer Regierungsbeteiligung. Und für die Grünen hieße ein Mehrheitsbeschaffer PDS: sie selbst würden rechnerisch gar nicht gebraucht.

Für die Berliner Sozialdemokraten verspricht der Blick zur Ampel einen Ausweg aus der Gysi-Falle. Denn noch immer murren altgediente Sozis über die Hofierung der Postkommunisten. In den Parteizentralen haben deshalb bereits die Rechenspiele begonnen. Die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen - im vergangenen Jahrzehnt durch die Schwäche der Liberalen undenkbar - gewinnt Reiz. "Eine ausgesprochen interessante Option ist die Ampel für die SPD", konstatiert ein Genosse aus der engeren Führungsriege. Schließlich liebäugle selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit den Freidemokraten. Auch für die Bundestagswahl 2002 sagen die Demoskopen der Regierung keine eigenständige Mehrheit voraus. FDP-Chef Guido Westerwelle flirtet mit dem Bundeskanzler - und überwacht mit Argusaugen, welchen Kurs seine Parteifreunde nach den Wahlen in Berlin und Hamburg einschlagen.

Die offizielle Linie der SPD ist, bislang jedenfalls, klar: Man strebt eine eigenständige Mehrheit für Rot-Grün an. Über andere Optionen wird weder in Gremien noch in der Öffentlichkeit geredet. "Der Wähler entscheidet", leitet SPD-Chef Peter Strieder in diesen Tagen jede seiner Stellungnahmen zum Thema Regierungsbildung ein. Danach gebe es verschiedene Optionen. "Die erste Option für die SPD ist Rot-Grün". Und noch hält der Landesvorsitzende diese Koalitionsoption für möglich. Sollte die notwendige Mehrheit indes ausbleiben, ja dann stelle sich die Frage, welches Bündnis "die politischen Aufgaben, wie etwa die Sanierung des Haushalts, bewältigen" kann - das Bündnis mit der PDS oder eben die Ampel.

Die FDP ihrerseits hält sich zwar in gewohnter Manier alle Optionen offen. "Wir streben mit einer der großen Parteien eine Koalition an", formuliert Günter Rexrodt. Man halte "Äquidistanz" zu CDU und SPD. Deshalb hat Rexrodt nicht nur mit Klaus Wowereit, sondern auch mit dem CDU-Spitzenkandidaten Frank Steffel ein vertrauliches Wort gewechselt. Doch sollte das Wahlergebnis eine Zwei-Parteien-Koalition nicht hergeben, relativiert Rexrodt, "dann schließen wir die Ampel nicht aus". Und Günter Rexrodt ist Realist.

Für die Grünen könnte eine Ampel die Rettung ihrer Regierungsbeteiligung sein. Dennoch hält sich die Partei bedeckt. Auch die Grünen hoffen natürlich, die derzeitige Übergangsregierung auf Grundlage des Wählervotums fortsetzen zu können. "Über die Ampel haben wir mit der SPD nicht gesprochen", beteuert Parteichef Till Heyer-Stuffer. Noch hofft seine Partei auf das Verblassen des PDS-Stars Gregor Gysi - und einen Gewinn der Stimmen aus dem Wählerspektrum links der SPD. Auch meint der Grünenchef, dass der Aufwärtstrend der FDP bereits gestoppt sei. "Und bis zu den Wahlen hat sich der Frust der CDU-Anhänger dann vielleicht wieder gelegt und sie wählen traditionell, anstatt zur FDP zu wechseln". Doch auch die Grünen kennen die aktuellen Zahlen der Meinungsforscher.

Die Motivlage der Sozialdemokraten ist in dieser internen Debatte weniger einheitlich. Die einen thematisieren die Ampel offensiv, da sie sich aus der Zwangslage befreien wollen, nach dem 21. Oktober tatsächlich auf die PDS angewiesen zu sein. Andere wiederum tun sich noch immer schwer, der Parteilinie zu folgen und die bald historischen Aversionen gegen die PDS zu beerdigen. Viele in der Parteispitze befürchten dagegen, eine Ampeldiskussion könne der Berliner SPD als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden. Deshalb bleibt es - aller interner Diskussion zum Trotz - bei einer noch einheitlichen Linie nach außen.

Zunächst blicken die Genossen ebenso wie Guido Westerwelle Hamburg. In der Hansestadt stimmen die Wähler bereits am 23. September über ihre neue Bürgerschaft ab. Und auch dort hat sich die FDP noch nicht festgelegt. Wie in Berlin benötigt in der Hansestadt die regierende rot-grüne Koalition nach Einschätzung der Demoskopen einen dritten Partner. Auf der anderen Seite steht die CDU bereit zu einem Dreier-Bündnis mit dem umstrittenen Rechtspoupulisten Ronald Schill. Die Entscheidung der Hamburger FDP wird wohl auch in Berlin als Signal aufgenommen werden - auch wenn Günter Rexrodt vorbaut: "Die Situation ist nicht zu vergleichen. In Berlin gibt es keine rechtspopulitische Partei."

Die ungewisse Lage vor den Wahlen hält Berliner Sozialdemokraten jedoch nicht davon ab, bereits Zahlenspiele anzustellen. Eine Ampel, rechnet der eine, das hieße zwei Senatorenposten für die Grünen, zwei Sessel für die FDP. Und für die SPD vier Senatorenämter plus den Regierenden Bürgermeister - "auch wenn man das Fell des Bären jetzt noch nicht verteilen sollte." 2 zu 2 zu 4? Ein Spitzensozi lächelt genüßlich. "Dann doch wohl lieber 1 zu 1 zu 6".

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