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Berlin: Wahlgeschenke in der Schultüte

Einschulungsfeiern sind ein beliebtes Ziel für Politiker. Verboten ist das nicht. Doch weil sich Eltern ärgern, wollen die Parteien diese „Tradition“ überdenken.

SPD – mit diesen drei Buchstaben des Alphabetes dürften Berlins Erstklässler kaum Probleme haben: Nachdem die sozialdemokratischen Wahlkämpfer bei den Einschulungsfeiern am vergangenen Sonnabend tausende kleine Geschenke mit ihrem Emblem verteilt haben, gehören die SPD-Brotboxen, SPD-Sportbeutel und SPD-Stifte quasi zur Grundausstattung der ABC-Schützen. Nach vehementer Kritik an dieser Wahlkampfroutine stellen jetzt die ersten Spitzenkandidaten diese Tradition des Einschulungswahlkampfes infrage.

„Ich kann die Kritik nachvollziehen“, sagte CDU-Spitzenkandidat Kai Wegener am Freitag dem Tagesspiegel. Sein Appell an die eigenen Parteifreunde, aber auch an die anderen Parteien laute, „künftig darauf zu verzichten“. Auch die SPD will sich der Diskussion nicht entziehen. „Ich nehme das zum Anlass, mit den anderen Kreisverbänden darüber zu sprechen“, kündigte der Spandauer Spitzenkandidat Swen Schulz an.

Schulz gehört zu den besonders aktiven Schul-Wahlkämpfern. Jahr für Jahr klappert er am Einschulungstag mehrere Schulen ab. Bisher habe sich bei ihm noch niemand beklagt, sagte Schulz. Bis sich jetzt die Sängerin Judith Holofernes zu Wort meldete.

Wie berichtet, hatte die Kreuzbergerin in ihrem Blog kritisiert, dass ihrem Sohn bei der Einschulung Zahnbürsten und Brotdosen von der SPD in die Hand gedrückt wurden. Als Folge seien nun auf den „meisten Einschulungsfotos dieses schönen Tages verwirrte kleine Kinder mit SPD-Tüten in der Hand zu sehen“.

Rechtlich zu beanstanden ist diese Wahlkampfpraxis aber nicht. „Es gibt keinen Bannkreis um Schulen“, erläuterte Bildungsstadtrat Peter Beckers (SPD), der auch für das Ordnungsamt zuständig ist. Deshalb könnten Politiker und Parteien auf dem öffentlichen Straßenland vor den Schulen ohne Weiteres ihre Stände aufstellen und Wahlplakate aufhängen. Allein in seinem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hängen rund 14 000 Wahlplakate, und 175 Wahlstände wurden beantragt – auch vor Schulen. Im Übrigen sei die Parteienwerbung grundgesetzlich geschützt. Anders sei das direkt auf dem Schulgelände: Dort dürfen keine Werbematerialien verteilt und keine politischen Reden gehalten werden.

Auch hier gibt es Ausnahmen: Ein Schulleiter dürfe durchaus Politiker in den Unterricht einbinden, „wenn es passt“, sagt Beckers, der im Übrigen auf die lange Tradition hinweist, die der SPD-Wahlkampf bei Einschulungsfeiern habe.

Die Abgeordneten gehen sehr unterschiedlich mit der Frage der Wahlwerbung vor Schulen um – unabhängig von der Parteizugehörigkeit. So gibt es auch in der CDU etliche Wahlkämpfer, die gern vor den Bildungseinrichtungen ihr Material verteilen. Und auch die Grünen lassen es sich nicht nehmen, dort präsent zu sein. Özcan Mutlu, Spitzenkandidat in Mitte, betont allerdings, dass er keine Wahlgeschenke mit Parteilogo an die Kinder verteilt habe, sondern grüne Äpfel. Die Eltern bekämen aber einen Flyer.

Nicht alle Eltern fühlen sich dadurch gestört. „Ich habe mich nicht bedrängt gefühlt“, sagt etwa Kerstin Schneiderheinze, deren Sohn an der Schule am Dielingsgrund in Lichtenrade am Sonnabend seinen ersten Schultag hatte und von der CDU beschenkt wurde.

„Das ist eine Frage des Milieus“, sagt die SPD-Vorsitzende von Kreuzberg- Friedrichshain, Julia Schimeta. Manche Mütter oder Väter würden bei der Aktion sogar um zusätzliches Infomaterial bitten. CDU-Kandidat Kai Wegener will dennoch eine Diskussion um diese Gepflogenheiten anzetteln: „Die Einschulung ist so ein privater Tag, da sollte man nicht Wahlwerbung betreiben“, sagt er. Wegener geht lieber einen anderen Weg – mit Spielplatztreffs. Die Linkspartei ist am Einschulungstag generell nicht präsent, die Piraten suchen noch nach einem eigenen Konzept, um die Schüler anzusprechen.

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