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Der Berlin-Vorsitzende der Linken, Klaus Lederer.

© Stephanie Pilick/dpa

Wahlkampf 2016: Wie stehen die Chancen für die Berliner Linken?

Die Gysi-Partei peilt nach der Wahl 2016 eine dritte Auflage von Rot-Rot an. Allerdings fehlt es der Berliner Linken bisweilen an Profilschärfe. Eine Analyse.

Von Sabine Beikler

Als die Linke, damals PDS, bei der Abgeordnetenhauswahl 2001 ein Spitzenergebnis von 22,6 Prozent erzielte, nannte Linkspolitiker Harald Wolf das Ergebnis eine „spekulative Blase“. Mit dem Spitzenkandidaten Gregor Gysi herrschte in der Stadt nach dem Aus für den schwarz- roten Diepgen-Senat der Drang nach politischem Neuanfang. 14 Jahre später bereitet sich die Linke erneut auf den Wahlkampf 2016 vor – wieder als Oppositionskraft und wieder gegen eine große Koalition. Statt Gysi wird Parteichef Klaus Lederer die Partei in den Wahlkampf führen. Das Ziel der Linken: drittstärkste Kraft werden und mitregieren. Aktuell steht die Partei mit ihren 7800 Mitgliedern bei 15 Prozent – Platz vier.

Das Wahldebakel von 2011 mit mageren 11,7 Prozent nach zehn Jahren in der Regierung mit der SPD hatte die Linke zunächst demotiviert. Nach erstem Schock folgte aber eine selbstkritische Fehleranalyse: Immer weniger war den Linken unter Rot-Rot gelungen, eigenes Profil zu zeigen. Im Gegenteil: Manche Sozialdemokraten spotteten, die Linke sei schon „mehr sehr sozialdemokratisiert als wir“. Die Partei schluckte viele Kröten, ihre Basis blieb ruhig und ließ die Funktionäre weitgehend gewähren.

Zerrieben zwischen Öffentlichkeit und SPD

Während der ersten rot-roten Koalition von 2001 bis 2006 standen Haushaltskonsolidierung und Schuldenabbau ganz oben auf der politischen Agenda. In der zweiten rot–roten Legislaturperiode aber versuchte die Linke, ab und zu mal gegen die SPD aufzumucken. Der Ausbau des öffentlichen Beschäftigungssektors, eines der Lieblingsprojekte der Linken, drohte zu scheitern. Kaum hörbar und halbherzig wurde 2008 mit Koalitionsbruch gedroht. Wachsende Mieten, Wohnungsnot, die drohende soziale Verdrängung wurden in der Koalition nicht thematisiert. Die SPD im Senat weigerte sich anzuerkennen, dass bezahlbare Wohnungen allmählich knapp werden. Sehr leise diskutierte die Linke über ein Umwandlungsverbot. Stattdessen stimmte sie für den Verkauf der landeseigenen Wohnungen. Ein Fehler, wie Parteichef Lederer später selbstkritisch zugab.

Andere analysierten, man sei „zerrieben“ worden zwischen Öffentlichkeit und der „blockierenden SPD“. Die Linke habe es nicht geschafft, die engagierte Bürgerschaft in Projekte mit einzubinden. Die Partei machte nach dem Wahldebakel 2011 „Glaubwürdigkeitsdefizite“ aus, auch bei ihrer eigenen Kernklientel. Nach dem Ende von Rot-Rot 2011 kündigte Lederer an, massiv Druck auf den ehemaligen Koalitionspartner ausüben zu wollen. So unterstützte die Linke unter anderem das Volksbegehren des Berliner Energietisches.

"Wir können regieren"

Doch trotzdem blieb die Partei als Oppositionskraft zu ruhig. Von Fraktionschef Udo Wolf wird Rot-Schwarz geschont: Besonders nach dem Wechsel von Michael Müller an die Regierungsspitze fällt es Wolf offensichtlich schwer, mit dem SPD- Mann kritisch umzugehen. Beide kennen sich gut aus ihrer Zeit als Fraktionschefs, beide respektieren und mögen sich. Die Ex-Senatoren Katrin Lompscher, Harald Wolf und Carola Bluhm mussten sich an ihre Rolle auf der Oppositionsbank gewöhnen. Bluhm und Wolf arbeiten unauffällig und werden in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Thematisch sichtbar ist hingegen Lompscher, die sich in ihr originäres Fachgebiet Stadtentwicklung eingearbeitet hat.

In der Opposition gab es eine Reihe von gemeinsamen Anträgen von Linken, Grünen und Piraten zur Ehe für alle, dem Flüchtlingsproblem, zu Olympia, der Parlamentsreform oder zum Tempelhofer Feld. Doch vor allem zu den Grünen herrscht Distanz. Während die Linken diszipliniert und pragmatisch auftreten, diskutieren die Grünen schon mal erneut über ein Thema und heben gern ihre Oppositionsführerschaft hervor. Das macht die Bündnisse nach der Wahl schwierig: Rot-Rot-Grün steht die Linke sehr skeptisch gegenüber. Aus dem so regierten Thüringen sind übrigens nicht nur Jubel von den dortigen Genossen zu hören.

Also Rot-Rot. „Wir können regieren, das haben wir gezeigt“, sagt ein Spitzenmann. Diskussionen über Opposition oder Mitregieren dürften, wie im Jahr 2005/2006 nach der Hartz-Reform, nicht zu erwarten sein. Die ehemaligen Mitglieder der in den Linken integrierten WASG sind in Berlin nicht sehr einflussreich.

Die Wahlkampfthemen sind gesetzt: Mieten, soziale Gerechtigkeit, Verkehrspolitik, Flüchtlinge und Bildung. Auch die soziale Verdrängung will die Partei thematisieren. Mitte November werden die Linken zwei Basis-Konferenzen organisieren. Mitte Januar soll der Landesvorstand über das Wahlprogramm beraten, das Mitte März auf einem Parteitag verabschiedet werden soll. Ob die „Öffi-Flatrate“, die vom Parteitag beschlossene fahrscheinlose Nutzung der Busse und Bahnen bei einer Zwangsabgabe von 30 Euro pro Monat, im Wahlkampf eine herausragende Rolle spielt, wird parteiintern noch diskutiert.

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