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Berlin: Wahlkampf: Pro: Ja, denn noch sind nicht einmal die Opfer geborgen

Lasst uns bitte noch Zeit mit dem Wahlkampf. Kampf ist kein gutes Wort, und die Wahl ist ohnehin erst in fünf Wochen.

Lasst uns bitte noch Zeit mit dem Wahlkampf. Kampf ist kein gutes Wort, und die Wahl ist ohnehin erst in fünf Wochen. Da muss doch möglich sein, aus Gründen des Schmerzes und des Mitgefühls wenigstens noch eine Woche mit dem zu pausieren, was die Parteien offenbar für unumgänglich halten. Sie müssen gerade jetzt nicht um Wählerstimmen kämpfen, sie sollten einfach schweigen können. Der Bürger dürfte mündig genug sein, um das zu verstehen. Er mag jetzt nicht schon wieder Politiker in Wort und Schrift aufeinander losgehen sehen, er will jetzt nicht Phrasen hören. Weil er weiß, wie klein und nichtig alles geworden ist im Vergleich zu der Katastrophe, die vor einer Woche noch undenkbar schien.

Zum Thema Ted: Soll der Berliner Wahlkampf eingestellt werden? Noch sind Tausende von Opfern aus dem Trümmern von New York und Washington nicht geborgen, noch wird auf Lebenszeichen von Verschütteten gehofft. Noch ist das ganze Ausmaß der Tragödie, die nicht nur eine amerikanische ist, nicht abzusehen. Das Leid ist unermesslich, und die Menschen überall in der Welt leiden mit. Berlin hat erst am Freitag bei der Kundgebung vorm Brandenburger Tor seine Trauer und sein Mitgefühl gezeigt und seine Solidarität mit den Amerikanern bekundet.

Und zwei Tage später soll, wie auf Knopfdruck, der Wahlkampf wieder einsetzen? Jenes routinemäßig kleinliche Gezänk, das sich hinter der Binsenweisheit verstecken mag, das Leben gehe eben weiter. Geht es auch, aber anders. Gerade wir in Berlin, die wir den Amerikanern besonders verbunden sind, können nicht so kurzfristig zur Tagesordnung übergehen. Das kann nicht funktionieren. Sensible Politiker werden das wissen und auch in den nächsten Tagen keinen Wahlkampf machen wollen. Auch wenn sie es dürfen.

Christian van Lessen

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