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Der Steglitzer Kreisel an der Schloßstrasse in Berlin-Steglitz.

© Kai-Uwe Heinrich

Wahlkreisserie vor der Bundestagswahl: Schwarzer Südwesten

Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2016 verlor die CDU in Steglitz-Zehlendorf fast elf Prozentpunkte – wird Spitzenkandidat Thomas Heilmann die Trendwende schaffen?

Wer wohnt hier?

Steglitz-Zehlendorf, der reiche Südwesten, hat auch arme Ecken: Wer sich in der Thermometersiedlung in Lichterfelde-Süd, in der Belß- oder Wichura-Straße in Lankwitz oder in Zehlendorf-Süd mit ihren Geschossbauten umsieht, erkennt schnell, dass die Bewohner nicht zu den Spitzenverdienern gehören.

Gleichwohl ist der Bezirk statistisch der wohlhabendste in Berlin – was an der anderen Bezirkswelt liegt, die zum Beispiel in Lichterfelde-West, in Dahlem und Wannsee besichtigt werden kann (zumindest von außen). Wie weit die Schere des Wohlstands im Bezirk auseinanderklafft, zeigen die Zahlen zur Kinderarmut, die die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung regelmäßig veröffentlicht: In der Thermometersiedlung sind von 100 Kindern 61 auf Geld vom Staat angewiesen (60,57 Prozent); in Dahlem muss dagegen nur jedes 100. Kind von Sozialhilfe leben (0,63 Prozent).

Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf. Für die Gesamtdarstellung auf das rote Kreuz klicken.
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© Tsp

Noch zwei statistische „Spitzendaten“: Steglitz-Zehlendorf ist der älteste Bezirk (25,6 Prozent der Einwohner sind 65 Jahre alt oder älter), und er ist die Hochburg der Ehe in Berlin, jeder zweite Einwohner ist verheiratet (47,3 Prozent).

Ein wichtiges Thema ist bezahlbarer Wohnraum. Viele langjährige Mieter, deren ehemals günstige stadteigene Siedlungswohnungen an private Investoren verkauft wurden, können die steigenden Mieten nicht mehr bezahlen. Allein die für ihre rigorose Sanierungs- und Mieterhöhungspolitik gefürchtete Deutsche Wohnen besitzt 10 909 Wohnungen im Bezirk.

Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf. Für die Gesamtdarstellung auf das rote Kreuz klicken.
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© Tsp

Hinzu kommt, dass in den letzten Jahren vor allem Eigentumswohnungen und -häuser gebaut wurden. Die neuen Quartiere rund um den U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim sind nur ein Beispiel für diese Entwicklung. Auf dem Gelände der früheren Trainingsstadt „Parks Range“ des US-Militärs in Lichterfelde-Süd entsteht eines der größten Wohnungsneubauprojekte der Stadt. Rund 2500 Miet- und Eigentumswohnungen werden dort in den kommenden Jahren hochgezogen.

In Sachen Sport und Wissenschaft ist Steglitz-Zehlendorf mit vielen Vereinen, der Freien Universität, einer Uni-Klinik und diversen Forschungseinrichtungen gut versorgt. Mit Sorge blicken die Bewohner dagegen der kulturellen Zukunft entgegen: Sowohl für den Museums- Standort Dahlem als auch für das Areal des Alliiertenmuseums liegen noch keine tragfähigen Konzepte vor.

Welches Duell wird spannend?

Alle Meinungsforschungsinstitute sehen den CDU-Direktkandidaten und Ex-Justizsenator Thomas Heilmann als nächsten Steglitz-Zehlendorfer Bundestagsabgeordneten. Die Kandidaten von FDP, Hartmut Ebbing, und AfD, Sabine Gollombeck, müssten der CDU schon große Anteile des konservativen Stimmenanteils abjagen, damit die bisher Zweitplatzierte, die Sozialdemokratin Ute Finckh-Krämer, auf direktem Weg in den Bundestag einziehen könnte. Dass Heilmann so oder so im nächsten Bundestag Platz nehmen kann, ist relativ sicher: Er steht auf Platz vier der Landesliste. Finckh-Krämer kann auf den Weg über die SPD-Liste (Platz 7) nicht zählen.

Hat man hier überhaupt eine Wahl?

Hat man (immer). Zwar hatte die CDU bei der Bundestagswahl 2013 bei den Erststimmen mit mehr als 13 Prozentpunkten einen deutlichen Vorsprung vor der SPD, doch verloren die Christdemokraten bei der Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses im letzten Herbst bei den Erststimmen 10,6 Prozentpunkte. 2016 verteilten die Wähler ihre Erststimmen folgendermaßen: CDU 28,9 Prozent, SPD 25 Prozent, Grüne 17,5 Prozent.

Was war das Skurrilste aus dem Wahlkampf?

Die Bezirks-CDU war schon vor der heißen Phase des Wahlkampfes fast Alleinunterhalter – was nicht positiv gemeint ist. Erst wurde im Kreisverband betrogen und gefälscht, als es um die Frage ging, ob der Direktkandidat für den Bundestag von den Mitgliedern (das wollte Thomas Heilmann) oder von den Delegierten (dafür stand Karl-Georg Wellmann) gewählt werden sollte. Heilmann gewann, Wellmann zog sich schmollend zurück. Die CDU-Südwest erhielt die wenig schmeichelhaften Titel „Kreisverband des Grauens“, „Intrigantenstadl“ und „Fälscherwerkstatt“ – und zwar von Christdemokraten.

Auch der vermeintliche Riesen-Werbecoup von Thomas Heilmann am Steglitzer Kreisel nahm eine unerwartete Wende: Auf dem größten Wahlplakat Berlins (624 Quadratmeter) wirbt Heilmann mit dem Spruch „Berlin hat noch Luft nach oben“ für sich.

Die Linke warf ihm einen Verstoß gegen das Parteiengesetz vor, weil die CDU die kostenfreie Überlassung der Fassade seitens des Kreisel-Eigentümers, der CG-Gruppe, nicht als Spende angemeldet hatte. Die SPD sprach von schwarzem Filz: Die CG-Gruppe wolle bei der CDU im Bezirk gut Wetter machen, damit die Umbau-Genehmigungen zum Wohnturm im Rathaus glatt durchgingen.

Der Kreisel-Besitzer sah sich drei Wochen vor der Wahl gezwungen, SPD, FDP und Grünen die anderen elf Seiten des Kreisels als kostenfreie Werbeflächen anzubieten, was keine der Parteien annahm. Die Linke wurde gar nicht erst gefragt, da sie „eine Folgeorganisation der SED“ sei.

Übrigens stehen zwei ehemalige Stadträtinnen aus Steglitz-Zehlendorf über die Landeslisten ihrer Parteien zur Wahl: Auf Platz elf steht bei der SPD Barbara Loth, Christa Markl-Vieto kandidiert auf Platz neun bei Bündnis 90/Die Grünen.

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