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Die Skyline von Berlin aufgenommen vom Dach der Treptowers, Hauptsitz der Allianz-Versicherung .

© Kitty Kleist-Heinrich

Wahlkreisserie vor der Bundestagswahl: Treptow-Köpenick zwischen den Extremen

In Treptow-Köpenick liegt die Linke vorn – mit Gregor Gysi. Aber auch die AfD ist hier sehr stark.

Die Müggelheimer fahren Bus – es gibt nichts anderes. Dabei sehen sie auf dem Weg zum nächsten S-Bahnhof minutenlang nur Bäume. Gemessen am Busfahren in Mitte fühlt sich das an wie eine Reise durch die russische Taiga. Die Sorgen der Müggelheimer sind Fluglärm, Grundstückspreise, die Ruderfähre über die Müggelspree und die Wildschweinplage.

In Alt-Treptow ahnt davon niemand etwas – hier geht es um steigende Mieten und Partymacher im Treptower Park. Wahlkämpfer in Treptow-Köpenick müssen immer damit rechnen, dass sie an den Sorgen ihrer Zuhörer gerade vorbeireden.

Die Ausländerquote im Bezirk ist immer noch unterdurchschnittlich, trotz der wachsenden Zuwanderung. Zu hoch ist traditionell das Durchschnittsalter. Weil Familien zuziehen – in Mietshaus-Quartiere früherer Problemkieze oder in neue Eigenheime auf alten Gewerbeflächen –, hat sich die Altersstruktur aber insgesamt verbessert. In Treptow-Köpenick zu wohnen bedeutet, mehr tagsüber zu leben als in der Nacht, Ausflüge in die Natur zu machen statt im Club um die Ecke durchzufeiern.

Wahlkreis Treptow-Köpenick. Für die Gesamtdarstellung auf das rote Kreuz klicken.
Wahlkreis Treptow-Köpenick. Für die Gesamtdarstellung auf das rote Kreuz klicken.

© Tsp

Welches Duell wird am spannendsten?

Ein Duell liefern sich in Treptow-Köpenick allenfalls die Verlierer, also CDU-Mann Niels Korte und sein SPD-Kollege Matthias Schmidt. Linken-Zugpferd Gregor Gysi hat den Wahlkreis im Griff. An seiner rhetorischen Eleganz perlt jede kritische Frage ab. Schmidt und Korte können mit ihrer nüchternen Programmatik emotional kaum punkten.

Grünen-Kandidat Erik Marquardt kann seine Erfahrungen als Flüchtlingshelfer auf dem Mittelmeer in die Waagschale werfen, aber die Grünen haben seit jeher einen schweren Stand. Naturschutz wird von vielen Bewohnern als übertriebenes Regelwerk empfunden, um Hobbys zu verbieten. Wenn Stege wegen geschützter Röhrichtbestände zurückgebaut werden müssen, Flugzeuge aber weiter darüber hinwegdonnern dürfen, fühlen sich die Betroffenen vom Politikbetrieb betrogen. Diesen Frust kann auch Gysi nicht mehr wegdiskutieren.

Hat man hier überhaupt eine Wahl?

Die Ergebnisse der Bundestagswahlen 2009 und 2013 ähneln sich stark: Linke vorne, dahinter CDU, SPD und Grüne. Die AfD trat 2013 erstmals im Wahlkreis an und holte aus dem Stand 5,5 Prozent der Zweitstimmen. Auch die NPD schnitt mit 2,6 Prozent besser ab als in anderen Gegenden der Republik.

Die AfD könnte weiter zulegen, weil sie ihre Präsenz verbessert hat und bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2016 mehr als 20 Prozent holte, bei den Zweitstimmen sogar knapp vor der SPD auf dem zweiten Platz landete. Das lag vor allem am Flüchtlingsthema. Da viele Flüchtlingsheime aber anders als angekündigt gar nicht gebaut wurden, haben sich die Gemüter wieder etwas beruhigt.

Bis 2005 lag die SPD im Wahlkreis vorne, doch die Agenda-Politik Kanzler Schröders machte den Genossen schon damals schwer zu schaffen. Anschließend brach die SPD während der ersten großen Koalition weiter ein. Niedriglöhner und Arbeitslose fühlen sich bei den Linken besser aufgehoben.

Bezirksstatistik Treptow-Köpenick.
Bezirksstatistik Treptow-Köpenick.

© Tsp

Was war das Skurrilste aus dem Wahlkampf?

Gregor Gysi hat sich am Strandbad Müggelsee mit nackten Badegästen fotografieren lassen – was sein Gespür für knackige Themen beweist. Bevor er das Zurückdrängen ostdeutscher FKK-Kultur durch glotzende West-Männer beklagte, gab er schon im Frühjahr werbewirksam einer von der CDU verfemten Ausstellung mit Aktfotos Asyl in seinem Parteibüro.

Sex im Wahlkampf? Klar, wenn man den richtigen Dreh hat – gegen Diskriminierung und für die Freiheit der Kunst. Sonst kommt der Wahlkampf im Südosten fast unbemerkt über die Wähler. Die AfD holte sich den Hauptmann von Köpenick aufs Plakat – und wetterte gegen „politische Willkür“, weil ihr Bundestagskandidat zu einer Diskussionsrunde der Parteien nicht eingeladen wurde.

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