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Bisher noch der Amtssitz von Angelika Schöttler, doch das könnte sich nach der Wahl ändern: Das Rathaus Schöneberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wahlprognose Bezirk für Bezirk: SPD verliert wohl mehrere Bürgermeisterposten in Berlin

Es sieht nicht gut aus für die SPD: Nach der Wahl verliert sie wohl einige Bezirksbürgermeisterposten. Dafür dürften sich zwei andere Parteien freuen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eine Kristallkugel hat auch der Tagesspiegel nicht. Aber auf Grundlage der aktuellen Meinungsumfragen für die Abgeordnetenhauswahl lassen sich Prognosen für den Ausgang der Wahlen zu den zwölf Bezirksverordnetenversammlungen am 18. September ableiten. Denn jeder Bezirk hat seine eigene, regionaltypische politische Färbung, die sich in den vergangenen BVV-Wahlen widerspiegelt. Daraus ergibt sich ein klarer Trend für den Wahlausgang in den Bezirken.

Besonders spannend ist, was aus den Bezirksbürgermeistern wird. Vor fünf Jahren gelang es der SPD, mithilfe unterschiedlicher Koalitionen („Zählgemeinschaften“) in neun Bezirken den Amtschef zu stellen. Zwei weitere Bürgermeister kamen aus den Reihen der CDU, eine Bürgermeisterin ist Grüne. Die Linken gingen leer aus.

Diese klare sozialdemokratische Vorherrschaft dürfte diesmal nicht zu halten sein. Wenn es für die Grünen richtig gut läuft, können sie vier Bezirks-Rathäuser erobern. CDU und Linke werden jeweils zwei Bürgermeister stellen. Wenn es so kommt, würde die Zahl der sozialdemokratischen Bürgermeister auf vier schrumpfen. Weitere Erkenntnisse aus unserer Prognose: Die AfD wird in alle zwölf Bezirksparlamente einziehen. Die FDP wird das wohl auch schaffen, weil in den Bezirken nur eine Dreiprozent-Hürde gilt. Die Piraten haben voraussichtlich nur in Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Mitte eine Chance, in der BVV zu bleiben. Dies alles ohne Gewähr.

So könnte die Machtverteilung in den Bezirken nach der Wahl aussehen (Klick aufs Bild für große Ansicht).
So könnte die Machtverteilung in den Bezirken nach der Wahl aussehen (Klick aufs Bild für große Ansicht).

© TSP/Gitta Pieper-Meyer

MITTE

Christian Hanke (SPD), der seit 2006 Bürgermeister ist, muss um seinen Job fürchten. Die Grünen haben gute Chancen, bei der BVV-Wahl stärkste Partei im City-Bezirk zu werden. In jedem Fall wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der SPD geben. Der Herausforderer des amtierenden Bürgermeisters ist Stephan von Dassel (Grüne), momentan Stadtrat für Soziales und Bürgerdienste. Er gilt als wenig charismatisch, aber als fleißig, kollegial und sehr penibel.

Sollten die Grünen bei der Wahl vorn liegen, könnte Dassel mit einer grün-roten Zählgemeinschaft neuer Chef des Bezirksamtes werden. Große Rettungsaktionen für Hanke werden auch die eigenen Genossen nicht organisieren, denn er hat sich in allen Parteien ziemlich unbeliebt gemacht.

FRIEDRICHSHAIN-KREUZBERG

Hier ist die Sache klar. Monika Herrmann (Grüne) wird Bürgermeisterin in Friedrichshain-Kreuzberg bleiben. Ihre Partei dominiert den Bezirk, daran wird die Wahl am 18. September nichts ändern. Im Gegenteil – die Grünen werden wohl noch zulegen und peilen die 40-Prozentmarke an. Herrmann, die im Juni 2013 ihren Parteifreund Franz Schulz im Amt ablöste, wird sich aussuchen können, ob sie mithilfe der SPD oder der Linken, oder mit Unterstützung beider Parteien, als Bürgermeisterin bestätigt wird.

PANKOW

Voraussichtlich werden sich SPD, Grüne und Linke ein Rennen um die Wählergunst liefern, für das ein Zielfoto gebraucht wird. Alle drei Parteien haben nach aktuellem Stand etwa gleiche Chancen, in Pankow vorn zu liegen. Da könnte die Frage, wer den attraktivsten Kandidaten oder die zugkräftigste Kandidatin anbietet, eine Rolle spielen.

Der populäre Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) hört auf, zehn Jahre im Amt sind ihm genug. Stattdessen bewirbt sich Rona Tietje, derzeit Mitarbeiterin in der Senatsfinanzverwaltung. Die Linke vertritt Sören Benn, Referent der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Für die Grünen kandidiert der stadtweit bekannte Baustadtrat Jens-Holger Kirchner. Der käme nach der Wahl aber nicht nur als Bezirksbürgermeister, sondern auch als Senator in einer rot-rot-grünen Regierung in Betracht.

CHARLOTTENBURG-WILMERSDORF

Auch in der City West ist zu erwarten, dass drei Parteien bei der BVV-Wahl nahe beieinander liegen: SPD, Grüne und CDU, mit leichten Vorteilen für die Umweltpartei und die Christdemokraten. Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD), der das Bezirksamt seit 2011 führt, muss noch nicht nervös werden. Notfalls könnte er sich mithilfe von CDU und FDP wiederwählen lassen, falls eine rot-grüne Zählgemeinschaft nicht mehr infrage kommt, weil die Grünen vorn liegen.

Die Grünen aber, noch ohne offiziellen Bürgermeister-Kandidaten, könnten um eine grün-rote oder grün-schwarze Mehrheit werben. Vielleicht zugunsten Oliver Schruoffenegers. Der langjährige Bezirkspolitiker und Abgeordnete ist seit Mai Jugend- und Schulstadtrat.

SPANDAU

Die BVV-Wahl in Spandau (bei Berlin) scheint eine klare Angelegenheit für den seit 2011 amtierenden Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD) zu werden. Auch wenn die CDU (wie vor fünf Jahren) vorn liegen sollte, dürfte die Zählgemeinschaft aus SPD, Grünen und Linken knapp reichen, um den ehemaligen Schulleiter im Amt zu bestätigen. Seinem Herausforderer Gerhard Hanke (CDU) fehlen, soweit man dies heute beurteilen kann, die Koalitionspartner.

STEGLITZ-ZEHLENDORF

Auch im Südwesten ist keine sensationelle Wende zu erwarten. Die CDU wird die BVV-Wahl mit großer Sicherheit gewinnen, mit deutlichem Abstand vor den Grünen und der SPD. Der Berliner Südwesten ist eine der wenigen verbliebenen Hochburgen der Union. Darüber kann sich die bisherige Bildungsstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) freuen, die den scheidenden Bürgermeister und Parteifreund Norbert Kopp beerben will. In Steglitz-Zehlendorf arbeiten CDU und Grüne seit zehn Jahren eng zusammen, und dabei wird es nach der Wahl im Herbst wohl bleiben.

Tempelhof-Schöneberg, Neukölln, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Reinickendorf

Bisher noch der Amtssitz von Angelika Schöttler, doch das könnte sich nach der Wahl ändern: Das Rathaus Schöneberg.
Bisher noch der Amtssitz von Angelika Schöttler, doch das könnte sich nach der Wahl ändern: Das Rathaus Schöneberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

TEMPELHOF-SCHÖNEBERG

Noch ist Angelika Schöttler (SPD) die Bürgermeisterin, aber das könnte sich nach der Wahl ändern. Sie wurde 2011 von einer rot-grünen Zählgemeinschaft ins Amt gewählt, die damals stärkste Partei CDU hatte das Nachsehen. Jetzt spricht vieles dafür, dass die Grünen die meisten Wähler im Bezirk hinter sich bringen. Dann werden sie voraussichtlich versuchen, eine Mehrheit für ihren Favoriten, den BVV-Fraktionschef Jörn Oltmann, zu organisieren.

Rechnerisch möglich wäre Grün-Rot oder Grün-Schwarz. Es sei denn, die SPD wählt gemeinsam mit der CDU und der FDP die christdemokratische Schulrätin Jutta Kaddatz zur Bürgermeisterin. Möglich, aber eher unwahrscheinlich.

NEUKÖLLN

Das ist eine klare Sache. Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die im April 2015 dem legendären Parteifreund Heinz Buschkowsky ins Neuköllner Rathaus nachfolgte, wird sich wohl aussuchen können, von welcher Zählgemeinschaft sie im Amt bestätigt werden will. Es wäre möglich, die Kooperation zwischen SPD und CDU fortzusetzen – oder durch eine rot-grüne Mehrheit zu ersetzen. Wenn das nicht reichen sollte, könnte noch die Linke mit ins Boot geholt werden.

TREPTOW-KÖPENICK

Den Sozialdemokraten, die seit 2011 mit Oliver Igel den Bürgermeister stellen, sitzt bei der BVV-Wahl im September die Linke im Nacken, die an den Sozialdemokraten vorbeiziehen könnte. Was aber nicht bedeutet, dass ihr Kandidat, der Treptow-Köpenicker Jugendstadtrat Gernot Klemm, neuer Chef des Bezirksamts wird. Denn die bestehende Zählgemeinschaft aus SPD, CDU und Grünen zugunsten des amtierenden Bürgermeisters Igel ist stabil.

So könnte die Machtverteilung in den Bezirken nach der Wahl aussehen (Klick aufs Bild für große Ansicht).
So könnte die Machtverteilung in den Bezirken nach der Wahl aussehen (Klick aufs Bild für große Ansicht).

© TSP/Gitta Pieper-Meyer

Die Frage ist nur, ob diese drei Parteien in der BVV gemeinsam noch eine Mehrheit haben. Notfalls könnte die FDP mithelfen. Ansonsten müssten die Sozialdemokraten nämlich den Linken Klemm mitwählen.

MARZAHN-HELLERSDORF

An der Spitze des Bezirksamts deutet sich ein Wechsel an. Für den Bürgermeister Stefan Komoß (SPD) wird sich sehr wahrscheinlich keine Mehrheit mehr finden, weil die bisherige Zählgemeinschaft von SPD, Grünen und CDU die Mehrheit in der BVV verlieren wird. Die 2011 geschmiedete Verhinderungs-Koalition gegen die Linke als stärkster Partei in Marzahn-Hellersdorf funktioniert dann nicht mehr.

Die Linken-Kandidatin und Stadträtin Dagmar Pohle, die von 2006 bis 2011 Bezirksbürgermeisterin war, hat gute Chancen, wieder ins Amt zu kommen.

LICHTENBERG

Ähnlich sieht es in Lichtenberg aus. Auch hier muss die amtierende Bürgermeisterin Birgit Monteiro um ihren Posten bangen, weil die Zählgemeinschaft aus SPD, CDU und Grünen nach der BVV-Wahl aller Voraussicht nach keine Mehrheit mehr hat. Wenn es so kommt, muss die Linke – als mit Abstand stärkste Partei – die Unterstützung der bezirklichen Sozialdemokraten für die Wahl der langjährigen Berliner Abgeordneten und Linken-Bezirkschefin Evrim Sommer für das Bürgermeisteramt einfordern.

REINICKENDORF

Dieser Bezirk ist – neben Steglitz-Zehlendorf – die zweite verbliebene Hochburg der Berliner Christdemokraten. Kaum jemand zweifelt deshalb daran, dass der Bürgermeister Frank Balzer (CDU) nach dem 18. September im Amt bleibt, das er seit 2009 mit Unterstützung der Grünen ausfüllt. Obwohl im Bezirksamt nur Vertreter der Christ- und Sozialdemokraten sitzen.

Die CDU wird mit Sicherheit stärkste Partei bleiben. Die Union könnte die Zählgemeinschaft mit den Grünen erneuern, was derzeit als wahrscheinlich gilt. Falls das nicht funktioniert, könnte die CDU versuchen, in Reinickendorf Schwarz-Rot zu etablieren.

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