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© Doris Spiekermann-Klaas

Walküres Spuren: Was vom Widerstand gegen Hitler blieb

In Berlin und Potsdam liegen die Orte, an denen Stauffenberg und sein Kreis das Hitler-Attentat planten. Einige sind Gedenkstätten.

Berlin ist in Dunkelheit getaucht. Wie so oft in den letzten Kriegsjahren, gibt es keinen Strom. Den Innenhof des Bendlerblocks in Tiergarten dagegen erhellen zwei Scheinwerferpaare. Inmitten eines Rondells werden Claus Schenk Graf von Stauffenberg und drei seiner Helfer hingerichtet. Es ist kurz nach Mitternacht, der 20. Juli 1944 seit wenigen Minuten verstrichen, der Tag, an dem das Attentat auf Adolf Hitler scheiterte.

Den dramatischen Ereignissen kann man heute immer noch nachspüren. Eine Villa in der Gregor-Mendel-Straße in Potsdam soll als Startpunkt dienen. Der Vordereingang ist von zwei steinernen Löwen bewacht. Arbeiter richten das Haus derzeit für den Film „Valkyrie“ her, in dem Tom Cruise Stauffenberg spielt. Die Fassade wird mit schwarzem Tuch verhangen, im Garten liegen Werkzeuge und Kabel herum. Als die Straße noch Marienstraße hieß, lebte hier Oberstleutnant Fritz von der Lancken. Am 19. Juli fährt der Wagen von Stauffenbergs Fahrer vor. Er holt den Sprengstoff ab, den von der Lancken verwahrte. Das Vorhaben kann beginnen.

Der 20. Juli 1944 ist ein Donnerstag. Es ist heiß in Berlin. In der Bendlerstraße wartet General Friedrich Olbricht, Chef des Allgemeinen Heeresamtes, auf die Nachricht von Hitlers Tod. In aller Frühe ist Stauffenberg zum Führerhauptquartier Wolfschanze mit zwei Kilogramm Sprengstoff in seinen Aktenkoffern aufgebrochen. Gegen 12.40 Uhr explodiert aber nur eine der beiden Sprengladungen. Zu diesem Zeitpunkt ist Stauffenberg schon auf dem Weg nach Berlin und weiß nicht, dass der Führer nur leicht verletzt überlebt hat. Olbricht sollte die „Operation Walküre“ beginnen. Dieser geheime Plan war eigentlich dazu gedacht, im Falle von Unruhen, der Wehrmacht die Kontrolle zu sichern, indem wichtige Stellen und Machtzentralen besetzt würden. Die Verschwörer wollten sich den Plan zu Nutze machen, um die Macht zu übernehmen. Doch Olbricht zögert, „Walküre“ einzuleiten, da unklar ist, ob Hitler tot ist.

„Diese ganzen Kommunikationsschwierigkeiten kann man sich heute kaum vorstellen“, sagt Gabi Lischewski. Die Touristin aus Marl steht inmitten des ehemaligen Arbeitszimmers von Stauffenberg. Es ist Teil der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die im zweiten Stock des Bendlerblocks in Tiergarten ihre Ausstellungsräume hat. Eine Büste Stauffenbergs steht auf einem großen Heizkörper. Schriftstücke hängen an der Wand. Zwei Zimmer weiter befindet sich das frühere Büro von Generaloberst Friedrich Fromm, dem Befehlshaber des Ersatzheeres. 1944 wird Fromm von den Verschwörern um den inzwischen zurückgekehrten Stauffenberg festgesetzt und sein Büro zu deren Zentrale umfunktioniert. Sofort nehmen sie Kontakt zur Stadtkommandantur Unter den Linden auf.

Die Adresse Unter den Linden 1 ist heute restauriert. Der Medienkonzern Bertelsmann hat hier seit 2003 seine Hauptstadtrepräsentanz. Generalleutnant Paul von Hase sandte von hier Truppen, um das Regierungsviertel zu besetzen. Doch zu schnell gelang es Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, mit Hilfe einiger NS-Offiziere die Gegenbewegung zu starten. Von Hase wurde gegen 21 Uhr zur Dienstwohnung von Goebbels gebracht, wo er später von der Gestapo verhaftet wurde.

Dem Spurensucher bietet sich heute ein anderes Bild als von Hase damals: Container und Asphalt, wo einmal Goebbels residierte. Die bunten Baucontainer stapeln sich hinter dem Neubau der Amerikanischen Botschaft zur Behrenstraße hin, wo der Minister das Zentrum der Gegenbewegung eingerichtet hatte. Gegen 17.30 Uhr hatte er das erste Mal mit Hitler telefoniert und in seinem Garten Truppen zusammengezogen.

Die nächste Station ist das „Haus des Rundfunks“ in der Masurenallee. Über den Sender sollte der Tod Adolf Hitlers verkündet und damit die Truppen auf die Seite der Attentäter gezogen werden. Ein 400 Mann starkes Bataillon nahm den roten Klinkerbau in Dreiecksform ein, doch der versprochene Nachrichtenoffizier kam nicht. Während den Besetzern vorgegaukelt wurde, der Sendebetrieb sei eingestellt, wurde über ein zweites Studio im Hochbunker nebenan die Meldung vom Überleben des Führers verbreitet. Spuren existieren nicht mehr. Der Bunker musste 2000 einem Hochhauskomplex weichen.

Das Scheitern der Verschwörung führt wieder nach Potsdam, wo wichtige Helfer Stauffenbergs im Infanterie-Regiment 9 stationiert waren. Alleine 21 Offiziere waren beteiligt, zehn wurden später hingerichtet. Ihr Schlachtruf „Semper Talis“ – „Immer gleich“ steht heute über dem Eingang zu dem früheren Kasernengebäude.

Fromm konnte um 23 Uhr befreit werden, die SS-Truppen hatten die Oberhand gewonnen. Er ordnete sofort die Erschießung der Verschwörer an. Heute erinnert eine bronzene Schwelle im Ehrenhof daran. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte, erklärt die Idee: „Widerstand und Anpassung sind zwei Paare. Wo ist die Schwelle zum Widerstand?“

Nach dem gescheiterten Attentat begann die Verfolgungsjagd auf die Beteiligten. Mehr als 650 Personen wurden verhaftet. Der Volksgerichtshof sprach über 130 Menschen das Todesurteil aus. Das Scheitern zog viele Selbstmorde Oppositioneller nach sich.

PLÖTZENSEE

Die Nazis ermordeten hier 89 Menschen, die sie zu den Widerständlern des 20. Juli zählten. Insgesamt forderte der Ort 3000 Tote. Hüttigpfad in Charlottenburg-Wilmersdorf. Täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt frei.

BENDLERBLOCK

Die Gedenkstätte Deutscher Widerstand zeigt das Aufbegehren verschiedener Gruppen gegen Hitler. Stauffenbergstraße 13-14. Mo-Mi von 9-18 Uhr, Do von 9 bis 20 Uhr und am Wochenende von 10 bis 18 Uhr. Eintritt frei.mj

Matthias Jekosch

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