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Laufgitter. Am Mauerpark sind einige der Polizei-Absperrungen für die Walpurgismacht umgestürzt – und dienen als Spielgerät. Foto: ddp

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Berlin: Walpurgisnacht wird zur Bewährungsprobe

Polizei rechnet bereits am Vorabend des 1. Mai mit Krawall. Wowereit ruft alle Seiten zu Gewaltverzicht auf

Nicht erst am 1. Mai, sondern schon an diesem Freitagabend könnte es zu den ersten Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten und so zur ersten Bewährungsprobe für die Polizei kommen. In der rechten Szene werde intensiv dafür geworben, „schon einen Tag früher nach Berlin zu kommen“, hieß es gestern in Sicherheitskreisen. Sie wollen demnach in der Walpurgisnacht bei einem Treffen in der Kneipe „Zum Henker“ in Schöneweide teilnehmen. Schon mehr als ein paar dutzend Rechtsextreme erschwerten die Lage beträchtlich, hieß es. Die Polizei hat angekündigt, das Lokal am Freitagabend weitläufig abzuriegeln, rund 500 Linke – hauptsächlich aus Antifa-Gruppen – werden vor dem „Henker“ zu Protesten erwartet. Diese Zahl könnte sich aber noch erhöhen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat alle Seiten eindringlich zu Gewaltfreiheit aufgerufen. Zum Neonaziaufmarsch am 1. Mai in Prenzlauer Berg sagte Wowereit, dass auch „berechtigter Protest“ friedlich bleiben müsse. Sicherheitsexperten erwarten jedoch das Gegenteil. Vermutlich weit mehr als 10 000 Linke, darunter militante Autonome, wollen sich dem braunen Marsch in den Weg stellen. Die Route ist offiziell noch geheim: Innenverwaltung und Polizei wollen verhindern, dass Linksextreme entlang der Route Waffen deponieren oder Dächer besetzen könnten. Die Parteien im Abgeordnetenhaus erhielten auch zwei Tage vor dem 1. Mai keine aktuellen Informationen über den Verlauf der rechten Demonstration und die Gefährdungseinschätzung. „Wenn so viele Beamte eingesetzt werden, muss die Gefährdung ja wohl sehr groß sein“, sagte CDU-Experte Peter Trapp. Der grüne Innenpolitiker Benedikt Lux sagte, dies erinnere an eine „Geheimpolizei“. Allerdings hatten die Behörden schon in der Vergangenheit die Routen rechter Aufmärsche geheim gehalten, teilweise waren Strecken erst kurz vor dem Start bekannt geworden. Aus der linksradikalen Szene hieß es, nicht nur die Razzien in linken Läden der vergangenen Tage trügen zur Eskalation bei, sondern auch die Informationspolitik des Senats. Die Geheimhaltung der Marschroute kritisierte auch der Pankower Bezirksbürgermeister Matthias Köhne. „Ich habe mehr aus der Zeitung erfahren als von der Polizei“, sagte der SPD-Politiker. Köhne rief ebenfalls dazu auf, sich den Neonazis am 1. Mai in den Weg zu stellen. Um ein Zusammentreffen mit militanten Rechtsextremen zu vermeiden, riet er Gegendemonstranten, nicht am Bahnhof Bornholmer Straße aus der S-Bahn zu steigen. Man solle aber auf den Straßen rund um den Bahnhof gegen die anreisenden Neonazis protestieren. Ein Sprecher des von Parteien und Gewerkschaften unterstützten Bündnisses „1. Mai – Nazifrei“ betonte, dass Sitzblockaden rechtlich ein Graubereich seien. Juristen bewerten dies je nach Lage als einfache Ordnungswidrigkeit, zuweilen aber auch als strafrechtlich relevante Nötigung.

Unterdessen wird unter Autonomen über die 18-Uhr-Demonstration debattiert. „Es war ein Fehler, auf die Demo durchs Myfest zu verzichten“, heißt es in einer im Internet veröffentlichten Stellungnahme. Im Vorjahr hatte es einen schweren Gewaltausbruch gegeben, als die „Revolutionäre 1. Mai-Demonstration“ am Festgelände vorbeizogen war. Nachdem Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ein Verbot des traditionell militanten Aufzugs für das Jahr 2010 nicht ausgeschlossen hatte, haben die Organisatoren von sich aus auf den Marsch durchs Myfest verzichtet. In diesem Jahr wird sich die Demonstration nach Neukölln (und zurück) zu keinem Zeitpunkt näher als einen Kilometer an das Fest heranrücken. Dies ermöglicht der Polizei, mit Fahrzeugen und Hundertschaften die Festbesucher von den Demonstranten zu trennen. Die linksradikale Demonstration sei so im weniger attraktiven Teil Kreuzbergs isoliert, heißt es aus der Szene. Teile der Autonomen rufen deshalb dazu auf, sich doch am Kottbusser Tor, in der Nähe des Myfestes, zu sammeln.

Unterdessen hat die Justiz – pünktlich zum 1. Mai – Härte gezeigt. Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Berlin wegen der Beteiligung an den Krawallen im Vorjahr bestätigt und die Revisionen von zwei 19-Jährigen verworfen. Sie waren im Oktober wegen Werfens eines Brandsatzes in der Adalbertstraße zu jeweils drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden.

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