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Walter Momper: "Berlin ist eine sichere Stadt - außerhalb der Bahnhöfe"

Der ehemalige Regierende Bürgermeister Walter Momper war zu Gast beim Tagesspiegel. Das Publikum interessierte sich besonders für Geschichten aus der Wendezeit.

Als langjähriger Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses hat Walter Momper (SPD) Gelassenheit gelernt, ganz Elder Statesman, gar nicht Parteisoldat. Wie DDR-Ministerpräsident Hans Modrow so war? „Immer relativ ehrlich, ich habe ihn geschätzt.“ Der Langzeitrivale Eberhard Diepgen von der CDU? „Ein liberaler Mann, nur seine Mannschaft war problematisch.“ Und Helmut Kohl, der bei einer Momper-Rede „Lenin spricht“ zu seinen Sitznachbarn geflüstert haben soll? „In deutsch-deutschen Sachen war er ein kluger Kopf, ich habe für Berlin alles von ihm bekommen, die Schulden der Stadt sind nicht seine Verfehlung.“

Nein, auf Konfrontationskurs war Momper bei seinem Tagesspiegel-Besuch nicht, egal wie hartnäckig Chefredakteur Lorenz Maroldt und der Leitende Redakteur Gerd Nowakowski nachfragten. Dem Publikum war es gleich, es zeigte sich amüsiert, vor allem über die Wendegeschichten. Bei einem Treffen mit ihm habe SED-Mann Günter Schabowski „eine neue Reiseregelung“ angekündigt – zwölf Tage vor der legendären Pressekonferenz, der die nächtliche Grenzöffnung folgte. Was damals niemand gewusst oder für möglich gehalten hatte, Momper hörte es als einer der Ersten. Ach, einer wäre fast vergessen worden, was bitte ist mit Erich Honecker? „Ich erinnere mich vor allem daran, wie er mich zusammengestaucht hat, nachdem die Republikaner es 1989 ins Abgeordnetenhaus geschafft haben.“

In einem wesentlichen Punkt widersprach Momper Nowakowski. Es sei falsch, dass er sich über das Aus seiner rot-grünen Koalition Ende 1990 gefreut habe. Und an der Räumung der Mainzer Straße habe es, anders als allgemein angenommen, nicht gelegen. „Die Grünen wollten den Status Berlins, das uneingeschränkte Gewaltmonopol des Staates und die Zugehörigkeit Berlins zu Westdeutschland nicht anerkennen, da war das Problem. Ströbele hat das Koalitionsende von Bonn aus betrieben, die Senatorinnen haben hier Tränen vergossen", sagte Momper. Das Publikum vernahm es mit einem Raunen.

„Berlin als Sündenbabel und Subventionshochburg, so war es damals, aber die jungen Leute kennen die Vergangenheit nicht. Berlin war aber auch immer eine mäkelnde, sich selbst runterziehende Stadt“, sagte Momper, dann, nach einer Kunstpause: „Das finde ich übrigens positiv“. Sowieso sei die Hauptstadt eine „Armutsmetropole westlich des Urals“, wegen der mangelnden Industrie könne das auch kaum anders sein. Momper, der in Kreuzberg wohnt und in seinem Leben zahlreiche tätliche Angriffe überstanden hat, bezeichnet Berlin übrigens als „sichere Stadt – außerhalb der Bahnhöfe“.

Für Klaus Wowereit sieht Momper keine bundespolitischen Optionen, der sei in Berlin und würde dort auch bleiben. Wenn nicht eine grün-schwarze Koalition die Stadt übernehme, das sei ja momentan durchaus möglich. Ein Schlusswort gab es noch zur Länderfusion mit Brandenburg: „Die Berliner wollen es weiterhin, die Brandenburger immer noch nicht. Vereinigungen funktionieren nur in revolutionären Zeiten. Aber bis es hier das nächste Mal Revolution gibt, bin ich nicht mehr da“, sagte Momper. Die Erleichterung über diese Erkenntnis war ihm anzusehen. Nik Afanasjew

Die Tagesspiegel-Gesprächsreihe „Berlin, wo geht es hin?“ mit fünf ehemaligen Regierenden Bürgermeistern findet am 27.  Juni (18 Uhr) mit Eberhard Diepgen (CDU) ihren Abschluss. Der Eintrittspreis inklusive Begrüßungssekt beträgt 14 Euro.

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