zum Hauptinhalt

Berlin: Warum soll’n wir Trübsal blasen?

Von Andreas Conrad In der Waldbühne? Nein, da waren sie noch nie.

Von Andreas Conrad

In der Waldbühne? Nein, da waren sie noch nie. Manfred Frankenstein und Max Eichhorn, zweite Bässe und damit die Tieftöner im Chor der Komischen Oper, schütteln den Kopf. Respekt! Bis gestern noch achtlos an der wohl schönsten Open-air-Stätte Berlins vorbeigelaufen und heute bereits dort auf der Bühne.

Wohl für manchen der rund 60 Sängerinnen und Sänger, die am 8. Juni beim 3. Gala-Konzert der Komischen Oper im waldumsäumten Amphitheater teilnehmen, bedeutet der Auftritt dort eine Premiere. Darauf deuteten beiläufig aufgefangene Gesprächsfetzen wie überhaupt die aufgekratzte, an einen Schulausflug erinnernde Atmosphäre des gestrigen Test-Besuchs. Wobei Unkenntnis der Waldbühne nicht unbedingt Unerfahrenheit im Singen unter freiem Himmel bedeutet. Max Eichhorn beispielsweise erinnert sich gern an Auftritte in Sanssouci, sieht in der Berufsausübung an der frischen Luft ohnehin kein großes künstlerisches Problem, sondern eine Aufgabe, die man eben mit abdeckt.

„Zwei Reihen für die Damen, eine für die Herren.“ Mit geübter Hand ordnete Chorleiter Peter Wodner seinen Klangkörper, um eine Ahnung zu geben, was das Publikum Anfang Juni erwartet. Populär und ebenso anspruchsvoll werde das Programm sein, als Hörproben gab es den Gefangenenchor aus Verdis „Nabucco“, sodann ein Lied aus Smetanas „Verkaufter Braut“: „Warum soll’n wir Trübsal blasen?“ Sorgenvoll richteten sich da doch einige Blicke gen Himmel, der sich bedenklich verfinsterte. Nun ja, die Sänger, für die Walter Felsenstein den schönen Titel „Chorsolisten“ geprägt hatte, sind eben keine alten Freilufthasen. Bei den ersten beiden Gala-Konzerten der Komischen Oper waren sie noch nicht dabei.

Den Taktstock wird wieder Yakov Kreizberg schwingen, als Solisten sind die Sopranistin Noëmi Nadelmann, Countertenor Jochen Kowalski und Tenor Jeffrey Francis dabei. Das Programm bietet manchen Klassik-Ohrwurm, „Nabucco“ eben, Ravels „Bolero“ oder den „Einzug der Gäste“ aus „Tannhäuser“. Gerswhin ist mit dem „Amerikaner in Paris“ vertreten, dazu Mozart, Händel, Donizetti, Offenbach, Lehár und Johann Strauß. Keiner muss also Trübsal blasen, auch wenn nun genau dieses gestern vorgetragenen Stück im Programm fehlt.

Noch wucherte das Unkraut munter zwischen den Sitzreihen, wurde der Rasen durch Dauerberegnung für die Strapazen der kommenden Monate gerüstet. Arbeiter zogen durch die Reihen, wackelten hier, klopften da, die Frühjahrsprüfung vor dem Saisonstart. Am 26. Mai geht es los mit Lenny Krevitz, zwei Tage später ist Carlos Santana wieder seiner „Black Magic Women“ auf der Spur. Die Waldbühnendebütanten des Opernchors sind als dritte dran. Im Publikum wird Volksfeststimmung herrschen wie gewohnt, und wer gestern mit Blick zum Himmel seufzte „In Italien wär’s besser“, wird von Singen im Freien restlos überzeugt sein, es schütte nun oder es strahle.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false