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Mit Gefühl. Elefanten haben Sozialsinn, sie kümmern sich umeinander – auch in der freien Wildbahn. Davon konnte Jürgen Lange, Zoodirektor bis 2007, in der Emmauskirche erzählen, wo er zum Buß- und Bettag eingeladen war. Foto: Kitty Kleist-Heinrich

© Thilo RŸckeis TSP

Berlin: Was Elefanten fühlen

Können Tiere trauern? Ex-Zoodirektor Jürgen Lange zu Gast bei der Schüleruni Am Buß- und Bettag warf er seinen Biologenblick auf eine wichtige Frage.

Es ist beobachtet worden, dass Elefanten, wenn ein Gefährte stirbt, diesen nicht einfach zurücklassen, wie man es von Tieren annehmen könnte, die auf Arterhaltung getrimmt sind, also quasi Vorwärtsdenker von Natur aus. Doch dann bleiben die Lebenden bei dem Toten, streichen mit ihren Rüsseln über den leblosen Körper, stupsen ihn an. Es kam auch vor, dass sie ihn mit Zweigen bedeckten, als wollten sie ihn begraben.

„Können Tiere trauern?“, hieß die Frage, zu deren Beantwortung Berlins ehemaliger Zoodirektor Jürgen Lange am gestrigen Buß- und Bettag in der Schüleruni an der Kreuzberger Emmauskirche antrat. Die Schüleruni war eins von elf Projekten, die evangelischen Schülern, die am Mittwoch schulfrei hatten, angeboten wurden. Rund 1000 Schüler machten mit, davon 180 allein in der Emmauskirche. Sie hörten außer Lange auch Theologen, Krebsforscher, Philosophen und eine Künstlerin über „Sterben, Tod und andere Tiere“ referieren. Es ging dabei um das Nilpferd in der Bibel, um Fragen nach den verschiedenen Gesichtern des Krebs, nach dem viel zu frühen Sterben oder dem Tod in Kinofilmen. Nach den Referaten fanden sich sechs Workshops zusammen, in denen diskutiert wurde.

Also: „Können Tiere trauern?“

Trauer sei ein Gefühl, sagt Lange, und Gefühle seien immer subjektiv. Das mache es schon unter Menschen schwer, sich über sie zu verständigen. Wie dann erst mit Tieren? Immer laufe der Mensch Gefahr, seine Gefühle auf das Tier zu projizieren. Als Biologe wolle er Dinge messen können, bevor er sie für existent erkläre. Und messen lasse sich beispielsweise Trauer als Stress. Wenn ein Tier einen wichtigen Artgenossen verliere, reagiere es. Auch Bienenvölker reagierten, wenn die Königin stirbt. Man kann Stresshormone in den Zurückgebliebenen nachweisen. Aber ist das Trauer? Oder die Angst davor, ohne den wichtigen Artgenossen wehrloser zu sein, angreifbarer, oder der Stress, dass ein neuer Partner gesucht werden müsse?

Lange, das muss man wissen, hat vor allem mit Fischen zu tun und in seiner Zeit beim Zoo das Aquarium zu einem der modernsten der Welt gemacht. Fische eignen sich vielleicht besonders wenig für Trauerprojektionen oder -diagnosen. Lange sagt: „Ihr kennt ja vielleicht noch Knut, diesen Eisbären ...“ Knopfaugen, Stupsnase, jedenfalls anfänglich. Die Schüler nicken, na klar! Bei dem habe auch mancher Fan Trauer diagnostiziert, als dem Pfleger das Spielen mit dem Tier nicht länger erlaubt war – und doch vor allem die eigene Betrübtheit darüber gemeint. Im Workshop erzählen ein paar Schüler von ihren Tieren, etwa von dem Hund, der sich in den Koffer setzte, wenn er merkte, die Familie will verreisen – und wusste, dass er zur Oma muss.

Auch im Workshop des Theologen Andreas Lob-Hüdepool ging es um Tiere, berichten Magdalena, Jojo und Maya, drei Siebtklässlerinnen aus Köpenick. Nicht nur um das Nilpferd, das in der Bibel bereits im Buch Hiob auftaucht, und den Menschen an etwas mehr Gottvertrauen gemahnen will. Es ging um Tiere als Nahrungsmittel (kann man machen) und als Versuchsobjekt (geht gar nicht). Die Mädchen selbst können von Kaninchen erzählen, die sie mal hatten, die aber längst tot seien. Eine Gleichaltrige aus Reinickendorf berichtet von ihrem Chinchilla, inzwischen auch gestorben. Es gibt also ganz offenbar viel Gelegenheit zu Trauer in der Tierwelt. Ariane Bemmer

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