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Berlin: Was ist des Volkes Stimme wert?

Jetzt sind der Senat, das Abgeordnetenhaus und die Gerichte gefordert

Sollte der Volksentscheid zum Flughafen erfolgreich sein, müssen sich der Senat und das Abgeordnetenhaus mit dem Ergebnis ernsthaft und sorgfältig auseinandersetzen. Denn die Forderung, den City-Airport als Verkehrsflughafen auf unbestimmte Zeit offen zu halten, käme einem Parlamentsbeschluss gleich. Und nach dem ungeschriebenen Grundsatz der Organtreue muss es für eine Regierung selbstverständlich sein, auf die Meinung der Legislative (in diesem Fall des Volkes selbst) bei der eigenen Entscheidungsfindung Rücksicht zu nehmen.

Krisensitzungen in der Nacht wird es nicht geben. Aber gleich am Montag tagt der SPD-Landesvorstand, um den Volksentscheid politisch zu bewerten. Am Dienstag steht das Thema auf der Tagesordnung des Senats. Zu erwarten ist eine ausführliche Stellungnahme. Allerdings sollte niemand erwarten, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und sein Kabinett von der Schließung des Flughafens Tempelhof zum 31. Oktober 2008 und der planrechtlichen Entwidmung des Areals abrücken.

In der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses am 8. Mai werden dann also zwei gegensätzliche Beschlusslagen aufeinandertreffen: Der Volksentscheid für die Offenhaltung des Airports als Verkehrsflughafen und die Mehrheitsmeinung von SPD, Linken und Grünen, dass der Flughafen Ende Oktober geschlossen werden muss – aus juristischen, stadtentwicklungspolitischen, Umweltschutz- und Sicherheitsgründen. Nach einer überaus heftigen Debatte, diese Prognose sei gewagt, werden beide Beschlusslagen voraussichtlich in die zuständigen Fachausschüsse wandern, um dort noch einmal beraten zu werden. Eventuell verbunden mit einem parlamentarischen Anhörungsverfahren, zu dem Experten eingeladen werden.

Das ebenfalls vorhersehbare Ergebnis: Rot-Rot-Grün wird mit einem gemeinsamen Parlamentsbeschluss die Forderung des Volksentscheids abschließend zurückweisen. In allen drei Parteien und Fraktionen gibt es bisher jedenfalls keine erkennbare Neigung, im Falle eines erfolgreichen Plebiszits „einzuknicken“. Das gilt übrigens auch für die Bemühungen der CDU, einen Kompromiss durchzusetzen: Die Umwandlung Tempelhofs in einen Landeplatz für Geschäftsflieger, möglicherweise zeitlich befristet bis zur Eröffnung des Großflughafens BBI. „Noch drei, vier Jahre fliegen, nur um des Fliegens willen, das machen wir nicht mit“, heißt es in Koalitionskreisen.

Trotzdem wird die Lage für den Senat sehr ungemütlich, denn er muss seine Pläne gegen Volkes Stimme durchsetzen. Die Initiative City Airport Tempelhof (Icat) hat für diesen Fall bereits angekündigt, vor das Berliner Verfassungsgericht zu ziehen. Das mögliche Ziel: Den Volksentscheid als bindende Entscheidungsgrundlage für den Senat zu qualifizieren. Die Erfolgsaussichten erscheinen im Lichte der bisherigen Verfassungsrechtsprechung in anderen Bundesländern nicht besonders groß. Aber versuchen kann man es durchaus.

In jedem Fall muss das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg ein letztes Mal zum Flughafen Tempelhof Stellung beziehen. Es geht um Klagen eines Icat-Vertreters und von Privatleuten gegen die Entwidmung („Entlassung der Anlagen aus der luftverkehrsrechtlichen Zweckbestimmung“). Aus Respekt vor dem Volksentscheid hat sich das OVG Zeit gelassen. Der Senat rechnet jetzt aber mit einer zügigen Entscheidung zu seinen Gunsten. Dann wäre das Gelände juristisch gesehen kein Flughafen mehr. Der Widerruf der Betriebsgenehmigung ist schon seit Ende 2007 bestandskräftig. Der Senat darf dann sagen: Wir können dort ab November 2008 nicht mehr fliegen lassen, selbst wenn wir es wollten.

Sollte der Volksentscheid am Sonntag scheitern, muss der Senat lediglich feststellen, dass das Zustimmungsquorum nicht erreicht worden ist und kann zur Tagesordnung übergehen. za

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