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Was macht die Familie?: 17 Tage noch!

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Angeblich hat die besinnlichste Zeit des Jahres begonnen, aber ich kann das nicht bestätigen. Seit knapp einer Woche überlagert die Ausbeute von Leos drei Adventskalendern (oder sind es vier?) das Frühstück, der Nikolaus brachte einen iTunes-Gutschein und damit die Aussicht auf Höhepunkte deutschen Liedguts („Scheiße! In meinem Keller liegt ’ne Leiche“), der Wunschzettel ist orthografisch gewagt, aber sehr spezifisch, was die Ausstattung der gewünschten neuen Spielekonsole angeht, und JETZT SCHNEIT ES AUCH NOCH!

Eine Stunde und 37 Minuten dauert die Fahrt ins Büro, 20 Kilometer sind das ungefähr, die laufe ich mit etwas Training genauso schnell! Wieder mal hat niemand Winterreifen, und selbst die Luxusmütter in ihren allradgetriebene SUVs fahren, als ob sie am liebsten Stützräder hätten. Im Garten hatten wir das Laub noch nicht komplett zusammengeharkt, auf dem Trampolin fehlt die Winterabdeckung, aber jetzt ist schon alles weiß, und die Schneeschaufel ist kaputt. Und wer glaubt, dass Leo den Winter toll findet, weiß nicht, wie Kinder heute ticken. „Schön weiß“, sagt er beim Blick aus dem Autofenster nur, um sich wieder einer App zuzuwenden, bei der er eine weiße Stretchlimousine in Massenkarambolagen verwickelt. Schneeballschlacht ist so was von 80er. Ich wünschte, er würde stattdessen ENDLICH die Bundesländer und ihre Hauptstädte lernen, denn er hat einen Fünfer im Erdkundetest und weiß immer noch nicht, WO MAGDEBURG LIEGT (Sachsen-Anhalt, das war an dieser Stelle schon im Januar Thema)!

Was bitte ist an all dem Wahnsinn besinnlich? Und ich habe noch nicht ein einziges Weihnachtsgeschenk besorgt! Ja, ja, ich weiß, weder Weihnachten noch der Winter kommen überraschend, da hätte ich mich schon lange drum kümmern können und so weiter und so fort. Soll ich etwa jetzt schon Osterhasen besorgen?! Und zu allem Überfluss muss auch noch der Staatsbesuch von Benjamin Netanjahu die Stadt lahmlegen! Kann man das nicht alles auf Schloss Hardenberg oder so machen?! Michael Douglas in „Falling down“ trifft ungefähr meine Gemütslage.

Nur: Ich neige nicht zum Amoklauf, schon um ein Vorbild für Leo zu bleiben, außerdem ist das hier nicht L.A. Wir brauchen also spätestens am Sonnabend einen Ort der Ruhe, der Verlangsamung. Bis dahin halte ich durch. Wir sind keine religiösen Menschen, aber Kirche wäre eigentlich genau richtig. Heiligabend vor einem Jahr war es wirklich schön, der Weihrauch, das Singen haben mich wunderbar wegdösen lassen. Museum geht auch, am besten eines, das den vorweihnachtlichen Wahnsinn in die richtige Relation bringt. Auf zur Museumsinsel, der Pergamonaltar ist mehr als 2000 Jahre alt; da fallen die 17 Tage bis zur Bescherung nicht ins Gewicht. Moritz Döbler

Das Pergamonmuseum (Am Kupfergraben 5 in Mitte) ist von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt zehn Euro, erm. fünf.

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