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Was macht die Familie?: Eine Brille wählen

Wie eine Mutterdie Stadt erleben kann.

Jan und seine Brille – das stellte bisher ein Dauerdilemma dar. Entweder war sie verbogen, verschollen oder gezielt versteckt. Verdreckt war sie ohnehin immer, auch Kratzer gehörten zum festen Erscheinungsbild. Bekommen hat sie der Knabe im Kindergartenalter, also saß sie ihm immer schon irgendwie im Gesicht. Und sie stand ihm zweifellos. Jan hatte richtige Fans. Andere Mütter kamen regelrecht ins Schwärmen über die intellektuelle Ausstrahlung des Kindes: „Nein wie süß, ein richtiger kleiner Professor!“ Als kluge Eltern bedankten wir uns dann immer brav für das ambivalente Kompliment. Dabei war es wirklich ein schickes Modell: blau mit bunten Kringeln oben am Rand, dazu praktische Bügel, die sich ums Ohr legen ließen, damit es beim Fußball, Klettern, Raufen mit Zwillingsschwester Josefine nicht von der Nase rutscht.

In den letzten Wochen, genauer gesagt: Monaten, verschwand das gute Stück endgültig aus dem Augenfeld. Für Eltern stellt das einen besorgniserregenden Zustand dar, denn schließlich läuft das Kind halb blind durch die Welt. Zumindest gefühlt. 70 Prozent Sehkraft, lautete das Resultat beim letzten Blick durch das Augenmessgerät. Katastrophe! Doch Jan wollte lieber auf ein Gestell verzichten, mit dem er höchstens bei Erwachsenen punkten kann, als sich den Nasenrücken wund zu reiben. Schließlich strecken sich bei Zehnjährigen nicht nur Arme und Beine zunehmend in die Länge, sondern es verändern sich eher unbemerkt auch die Proportionen des Gesichts.

Ein heikler Moment zwischen der Entdeckung der eigenen Wirkung, erster Eitelkeit und der Notwendigkeit, klarsichtig durchs junge Leben zu kommen. Wir haben ihn umschifft, für’s Erste. Jan hat die Brille seiner Wahl entdeckt, gleich mit dem ersten Griff – das Teil aufgesetzt, und da bleibt es jetzt, außer beim Sportunterricht. Eine klassische Hornbrille, das Nerd-Modell mit großen Gläsern und schwarzem Gestell. Eigentlich müsste das Kind jetzt nur noch Karohemd, Strickjacke, Jute-Tasche und Fusselbart tragen, dann wäre sein Outfit perfekt. Den Coolness-Faktor besitzt Jan jedenfalls schon mal.

Auf die Frage, wie das markante Modell denn bei den Klassenkameraden angekommen sei, antwortete er lässig: „Die wollten alle die Brille betatschen und selber aufsetzen. Das kam natürlich nicht infrage.“ Auch bei Erwachsenen zeigt die Brille Wirkung. Jans Reaktion: Bei Komplimenten schaut Jan regungslos zurück. Damit ist er nun wirklich fertig. Er hat den Durchblick. Nicola Kuhn

Große Auswahl für Brillenträger im Kindesalter: Kinderbrillenland, Klaas-Augenoptik, Grunewaldstraße 47, 10825 Berlin, Tel.: 2142102

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