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Was macht die Familie?: Esssssen! – und lasern

Das Kind hat andere Zeitvorstellungen: Dorothee Nolte erzählt in ihrer Kolumne vom Abendessen, der deutschen Einheit und dem Schießen im Hier und Jetzt.

Neulich sagte das Kind: „Stell dir vor, du bist Angela Merkel. Und du sitzt in einer wichtigen Besprechung.“ Das konnte ich mir unschwer vorstellen, ich als Angela Merkel, das passt. „Und dann“, fuhr das Kind fort, „kommt plötzlich einer und ruft: Esssssen! Würdest du dafür deine wichtige Besprechung unterbrechen? Würdest du? Natürlich nicht!“

Auf derart perfide Weise begründet das Kind, warum es, wenn ich „Essssen!“ rufe, am PC sitzen bleibt und weiter Minecraft spielt. Statt zu kommen, sagt es „gleich!“. Beim nächsten Aufruf heißt es „gleich, sag ich doch!“, das wiederholt sich noch mehrfach und irgendwann dauert „gleich!“ zehn Minuten und das Essen ist kalt.

Wir haben ganz klar andere Zeitvorstellungen, und das betrifft nicht nur das Abendessen, sondern auch die deutsche Einheit. Sie ist für beide Jungs graue Vorzeit, etwa zeitgleich mit dem Meteoriteneinschlag, der die Dinosaurier auslöschte. Deswegen habe ich am Wochenende beim Spaziergang durch die Ministergärten ein bisschen Geschichtsunterricht geben müssen: wer sich hier mit wem wann und warum vereinigt hat und wieso es auch ganz anders hätte kommen können. 25 Jahre: ein Klacks, für mich. Eine Ewigkeit, für sie.

Unser Jüngster hat allerdings doch ein rudimentäres historisches Bewusstsein. Er sagt zum Beispiel Sätze, die wie Winzerweisheiten klingen. „Die 2003er, 2004er und 2005er“, erklärte er am Freitag nach einem Besuch in seiner alten Grundschule, „das sind ganz schlechte Jahrgänge“. Diese Kinder-Jahrgänge seien frech und respektlos und könnten sich nicht benehmen, ab 2006, also den jetzigen Viertklässlern, werde es dann wieder besser. Auch so lässt sich Geschichte gliedern.

Ansonsten sind für ihn die wesentlichen historischen Einschnitte seine eigenen Geburtstagsfeiern. „Nur dann wird mir klar, dass die Zeit vergeht“, sagt er. Nun steht wieder ein Geburtstag bevor, der 13. Er möchte ihn gerne mit seinen Freunden bei „Lasertec“ feiern (Schießen mit ungefährlichen Laserstrahlen kostet 200 Euro für zwei Stunden, ohne Essen/Trinken).

Sollen wir das machen und vor allem: wollen wir das bezahlen? Das Kind drängt auf eine Entscheidung. Aber ich lasse mich nicht hetzen. Ich stell mir einfach vor, ich bin Angela Merkel und in einer wichtigen Besprechung.

Wer hier schießt, ist ganz im Hier und Jetzt: Lasertec Berlin in Weißensee, www.lasertec-berlin.de

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