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Was macht die Familie?: In den Ferien arbeiten

Wie eine Mutter die Stadt erleben kann.

Mit Feriencamps haben unsere Jungs kein Glück. Entweder wir verpassen den Anmeldetermin, oder sie finden die Erzieher zu streng oder die anderen Kinder doof. Trotzdem wollten wir es noch einmal probieren. Eine befreundete Mutter hatte uns von einem Gutshof erzählt, auf dem Kirchengemeinden Feriencamps veranstalten, bei denen gebaut wird. Wir gingen zum Vorbereitungstreffen und hatten einen sehr guten Eindruck: nette Erzieher, gute Organisation, schönes Projekt. Glücklich ließen wir unseren Jüngsten ziehen, fünfmal schliefen wir mit diesem seligen Gefühl ein: Unser Kleiner atmet reine Herbstluft, tollt in der Natur herum und zwischendurch baut er ein bisschen. Wie im Märchen!

Am sechsten Tage kam das Kind zurück, bleich und gebeugt. Viele der anderen Kinder waren offenbar begeistert, nicht so unser Feriencamp-gebeutelter Sohn. „Wir mussten die ganze Zeit arbeiten, vom Frühstück bis zum Abendessen“, sagte er und zog zum Beweis seine Jeans aus: An jedem Unterschenkel prangten 14 blaue Flecken. „Ich war so überanstrengt, dass ich überall angestoßen bin. Und die Erzieher haben nicht mal mit angepackt, die haben nur geguckt, ob wir alles richtig machen!“ Ein junges Mädchen, das als Helferin mitgekommen war, hatte offenbar einen Ton drauf, den man von kirchlichem Personal nicht erwartet („mach schneller, du kleiner Wichser!“). Im Schlafraum war es kalt, der Sohn fror bitterlich. Fürs Erinnerungsfoto habe man die schwer schuftenden und entsprechend ernst blickenden Kinder aufgefordert „nun tut mal so, als ob euch das Freude machen würde!“ Unser Kleiner war also, wenn man seiner Darstellung Glauben schenkte, tatsächlich im Märchen gelandet, aber als Wiedergänger der armen Gretel, die sich für die böse Hexe schinden muss.

Der große Bruder, ebenfalls kein Freund von Feriencamps, hörte den Klagen interessiert zu und hatte auch gleich starke Vokabeln parat: „Wie im Arbeitslager! Das ist ja Zwangsarbeit! Wie hießen noch gleich diese Lager in der Hitlerzeit?“ Das könne man nicht vergleichen, sagte ich streng. „Egal“, seufzte der Kleine, „es war furchtbar. Ich wäre lieber“, und er holte tief Luft, „zwei Wochen lang in die Schule gegangen!“

Natürlich möchte das Kind jetzt eine Entschädigung haben. Es wünscht sich ein „Mystery Ufo“, ein Objekt, das ohne Batterien fliegen kann. Ein Mystery Ufo würde, wenn es in einem kirchlichen oder anderen Arbeitslager gefangen wäre, einfach davonfliegen. Und es würde vom Himmel aus die Botschaft verbreiten: Feriencamps sind klasse, aber, was unsere Familie betrifft, nur für die Eltern. Dorothee Nolte

Statt Ferienlager: Faule Familien können eine Berlin-Stadtrundfahrt im Bus unternehmen – Kinder fahren mit Super-Ferienpass kostenlos mit.

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