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Was macht die Familie?: Mode entwerfen

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Es gab einmal eine Zeit, da wollten Kinder Lokomotivführer werden, Feuerwehrmänner oder Polizisten, ein paar wenige auch Reporter. Diese Zeit liegt gar nicht so lange zurück, ich habe sie selbst und aktiv erlebt, aber wenn ich dem Kleinen meiner drei Jungs davon erzähle, rollt er nur mitleidig mit den Augen. Lokomotivführer! Oh Mann! Das ist ja so was von 20. Jahrhundert! „Stimmt es eigentlich, dass ihr damals nur drei Fernsehprogramme hattet? Und seid ihr wirklich alle mit Jeans und T-Shirt in die Schule gegangen?“

Jeans und T-Shirt kommen für ihn gleich nach dem Fell des Höhlenmenschen. Er selbst wählt seine Garderobe für den gesellschaftlich überaus relevanten Schulbesuch meist am Abend vorher aus. Es braucht halt seine Zeit, den dunkelblauen Cardigan angemessen zu kombinieren mit Hemd (mit oder ohne Kragen?), Hose und Schuhen. Und bloß nicht zweimal in einer Woche dasselbe tragen.

Irgendwie war das früher unkomplizierter mit Jeans und T-Shirt und drei Fernsehprogrammen und der langfristig geplanten Karriere als Lokomotivführer. Kannste so nicht sagen, erwidert der Kleine. Die Auswahl seiner Garderobe füge sich selbstverständlich in seine mittlere Zukunftsplanung. Er wird nämlich Designer, am liebsten Modedesigner, zur Not würde er aber auch für BMW oder Rolls Royce eine neue Produktlinie entwerfen.

Neulich waren wir mit der Familie mal für einen Tag in Hamburg. Der Kleine hat keine Ruhe gegeben, bis wir endlich im Tommy-Hilfiger-Shop nahe dem Jungfernstieg vorbeischauten. Seine Gesichtszüge vereisten in Sekundenschnelle, als die Verkäuferin ihm eröffnete, man führe leider keine Kinderkollektion.

Nach diesem Erweckungserlebnis hat er die Sache selbst in die Hand genommen. Sein erstes Meisterstück ist ein eleganter Partyschuh, er hat ihn von der schnell hingeworfenen Skizze über ein Papiermodell bis zum eigenhändig geschneiderten Prototypen aus karmesinrotem Samt entwickelt. Der Schuh schmückt unser Bücherregal, er provoziert regelmäßig anerkennende Blicke, und der Kleine war schon drauf und dran, ihn mitzunehmen zu dieser Designer-Messe, die er vor ein paar Wochen mit seinen Kumpels besucht hat. Am Ende habe ich ihm abgeraten. Wäre ja noch schöner, wenn ein cleverer Modemacher ihm seine Kreation abschwatzt und am Ende die ganze Welt in karmesinroten Samtschuhen herumläuft, auf denen Tommy Hilfiger steht oder Ralph Lauren. Sven Goldmann

Interessierten Ausstellern bei der bevorstehenden Fashion Week vermittelt der Autor gern einen Kontakt zu dem vielversprechenden, 14 Jahre alten Nachwuchsdesigner.

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