zum Hauptinhalt

Was macht die Familie?: Nachrechnen

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann

Neulich, beim Frühstück. Der Mittlere meiner drei Jungs beginnt die morgendliche Unterhaltung mit der nahe- liegenden Frage: „Weißt du eigentlich, was 377 mal 264 ist?“ Es ist noch früh und dunkel, eine Batterie an Broten ist zu schmieren, also sage ich dem Jungen, er möge doch bitte selbst den Taschenrechner holen. Pfhh, Taschenrechner, lächerlich: „So etwas rechnet man im Kopf. Hast du denn noch nie etwas von Binomischen Formeln gehört, Papa?“. Die Lösung sei natürlich 99 528, was denn sonst.

Weiter geht es mit einem längeren Vortrag über mathematische Strategien im Allgemeinen und Besonderen, alles haargenau notiert auf der druckfrischen Zeitung – übrigens auf der Sportseite, was dem Mittleren einigen Ärger mit seinen Brüdern einbringt. Egal, Binomische Formeln sind das Beste und Coolste auf der Welt, vielleicht abgesehen von Linearen Gleichungen, „aber das ist wahrscheinlich ein bisschen zu kompliziert für dich“. Die Unterhaltung entgleitet mir.

Schon zu Vorschulzeiten hatte sich der Mittlere von seinem großen Bruder in die Geheimnisse der Bruchrechnung einweihen lassen – auf dem Klettergerüst. Der Mutter hat er zum Geburtstag mal eine bunte Papptafel geschenkt, verziert mit allerlei mathematischen Formeln, an deren Ende jeweils stand, wie alt sie gerade geworden war (was Frauen jenseits der Dreißig bekanntlich besonders gerne vorgehalten bekommen). Als er vor ein paar Wochen in unserer Gegenwart ein äußerst kurzes Telefongespräch führte und seine Mutter ein wenig zu laut darüber lachte, lautete sein Kommentar: „So etwas nennt man Telefonat in sieben Sekunden, das müssen Frauen erst noch lernen!“

Seit frühester Kindheit sind Zahlen sein Ein und Alles, und deswegen ist der Höhepunkt des Jahres auch nicht Weihnachten oder Geburtstag, sondern Ende November, wenn – endlich! – wieder die Lange Nacht der Mathematik ansteht. In ganz Deutschland verbringen Kinder dann eine Nacht in der Schule. Sie sitzen in Vierergruppen vor Computern und lösen von abends bis vormittags Aufgaben, die ich mir danach ein halbes Jahr lang am Frühstückstisch anhören darf.

Der Mittlere würde für dieses Projekt sehr gern seinen jüngeren Bruder als Begleiter gewinnen, aber der ziert sich. Irgendwie müsse man in der Gesellschaft auch an die Vielfalt denken, sagt der Kleine, und einer aus der Familie bei der langen Mathe-Nacht sei doch genug. „Was haltet ihr von einer langen Nacht der Comedy?“ Er hätte dafür auch einen entsprechenden Privatsender zur Hand, „supercoole Sendungen, dürfen wir auf keinen Fall verpassen“. Könnte vielleicht ein wenig länger dauern, aber ganz bestimmt nicht bis zum nächsten Vormittag, großes Comedian-Ehrenwort! Sven Goldmann

Die Lange Nacht der Mathematik beginnt auch an zahlreichen BerlinerSchulen am heutigen Freitagabend um 18 Uhr und endet am nächsten Vormittag um 10 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false