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Berlin: Was wollen sie uns sagen?

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Politiker reden gern in Begriffen, wie sie in den Akten stehen, aber dort steht meistens Experten und Bürokratenchinesisch. Vielleicht kommen ihnen deshalb kaum noch einfache, farbige, verständliche Sätze über die Lippen, weil sie immerfort unter Zeitdruck Rede und Antwort stehen müssen. Auch wollen viele möglichst wenig anecken. Schließlich lauern überall scharfe Kritiker.

Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) spricht bemerkenswert druckreif in langen Sätzen, bei denen sie sich nie verhaspelt. Immer ist sie in leicht vorgebeugter Haltung den Zuhörern freundlich zugewandt. Wie auf Knopfdruck muss sie ihre Akten im Kopf präsent haben. „Die Figuren, die wir neben der Matthäikirche formuliert haben ...“, sagte sie vor der Presse bei der Erläuterung der neuesten Senatspläne zur Verschönerung des Kulturforums. Unwillkürlich drängt sich das komische Bild auf, wie Stadtplaner neben der Matthäikirche stehen und Figuren formulieren. Figuren werden natürlich gezeichnet oder modelliert. Doch die Senatorin meinte ja nur „objekthafte Baukörper“, anders gesagt: zwei planerisch skizzierte Baublöcke, die noch längst keine architektonische Gestalt haben.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Nicolas Zimmer nahm in einer Parlamentsdebatte den Regierenden Bürgermeister ins Visier. „Aber das scheint der Tribut zu sein, den Klaus Wowereit bereit ist, an seinen Koalitionspartner zu zollen“, meinte er. Das ist zwar kein Aktendeutsch, tut aber ebenfalls weh. Kann sein, dass Wowereit der PDS Tribut zollt, doch sprachlich ist dies nur im Dativ möglich. Man zollt jemandem Respekt oder Tribut, nicht im Akkusativ an jemanden. Zahlen darf man hingegen, wenn es sein muss, auch im Akkusativ.

In einem CDU-Antrag ist zu lesen: „Die deutsche Hauptstadt ist mittlerweile zu einer Drehscheibe des Menschenhandels geworden. Aus aller Welt reisen die Menschen über Deutschland in die Europäische Union ein, um sich anschließend europaweit zu verteilen. Ein erheblicher Teil der Menschen verbleibt aber auch in Berlin.“ Schon gut, wir hören den Reisezug mächtig rumpeln. Klar, dass Deutschland zu Europa gehört. Die CDU meint also, dass Menschen aus aller Welt nach Deutschland kommen und dann in andere europäische Länder weiterreisen. Etliche bleiben in Berlin? Nein, sie verbleiben hier. Es lebe der bürokratische Zungenschlag.

Die PDS-Abgeordnete Ingeborg Simon sagte, „dass der Anteil der Kündigungen gegenüber Schwangeren ... zugenommen hat.“ Sie meinte sicher, die Zahl der Kündigungen von Schwangeren sei gestiegen. Ach, es ist oft anstrengend, Politikern zuzuhören, will man dahinter kommen, was sie uns sagen wollen.

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