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Schiffstour auf der Spree. Die Berliner Gewässer sollen sauberer werden. Der Senat hat jetzt neue Pläne vorgestellt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wasserqualität in Berlin: Die Spree braucht eine Frischzellenkur

Menschen mit empfindlicher Haut sollten in der Spree nicht baden. Wenn es viel regnet, wird die Wasserqualität noch schlechter, sogar Fische sterben in Massen. Das soll sich nun ändern, aber bis dahin werden noch Jahre vergehen.

In den nächsten Tagen dürfte die Spree Badewassertemperatur erreichen. Nur leider keine Badewasserqualität – schon gar nicht, falls es zwischen der aktuellen Hitzewelle und dem zum Wochenende hin erwarteten, voraussichtlich rekordträchtigen Warmluftschub kräftig gewittern sollte. „Wir haben ein Grundproblem, dessen Wurzeln aus dem 19. Jahrhundert stammen“, sagte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), als er am Montag gemeinsam mit seinem Umweltstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) und Jörg Simon, dem Vorstandschef der Berliner Wasserbetriebe (BWB) ein Ausflugsschiff bestieg. Thema der Rundfahrt zwischen Fischerinsel und Osthafen: Die Lösung des alten Problems.

Starker Regen überlastet das System

Das Problem ist die sogenannte Mischkanalisation, die im 19. Jahrhundert etwa im Bereich des heutigen S-Bahn-Rings errichtet wurde: Abwässer aus den Gebäuden fließen durch dieselben Kanäle, in die auch das Regenwasser aus den Straßengullys läuft. Starker Regen überlastet das System, sodass die Brühe teilweise in die Gewässer fließt statt ins Klärwerk.

Die Folge, zuletzt Mitte Juni: In Landwehrkanal und Spree treiben massenhaft tote Fische, und stromabwärts – also entlang der Unterhavel von Spandau bis zum Wannsee – verschlechtert sich die Wasserqualität so sehr, dass empfindliche Menschen wegen der Keime dort nicht baden sollten.

1998 haben Wasserbetriebe und Land vereinbart, die „Mischwasserüberläufe“ um mehr als die Hälfte zu verringern. 157 Millionen Euro kostet das Programm, das bis 2020 läuft. 60 Prozent der Kosten übernimmt das Land, 40 die Wasserbetriebe. Insgesamt sollen rund 300 000 Kubikmeter Stauraum entstehen; drei Viertel sind schon fertig. „Wir setzen die Badewannenränder hoch“, erklärt BWB-Experte Kay Joswig das Prinzip. Nahe der East Side Gallery steckt eine Variante hinter der neuerdings zugemauerten Spreeuferwand: Dort wurde ein Wehr in die Kanalisation gesetzt, sodass die Brühe bei Regen zwischengespeichert werden kann. Weitere Varianten sind unterirdische Speicherbecken, Drosseln – also Engpässe – und Umleitungen innerhalb der rund 2000 Kanalkilometer.

Die letzte Variante ist die preiswerteste und stadtverträglichste, weil sie ohne Großbaustellen auskommt und im Wesentlichen nur die Abwasserströme umgeleitet werden müssen. Kapazitäten hat die Kanalisation in Zeiten der Wasserspartasten und A+++-Haushaltsgeräte allemal. Und oft gießt es so lokal, dass die Kapazität nur in manchen Kiezen knapp wird, während andere Pump- und Klärwerke noch mehr vertragen können.

Eine populäre Variante hat kaum Chancen auf Realisierung

Eine seit Jahren populäre Variante hat allerdings kaum Chancen: Die „Spree 2011“ genannte und am Osthafen als Prototyp ankernden Container, auf denen oben buntes Treiben herrscht, während unten braune Brühe auf den Abtransport zum Klärwerk wartet. Nach Auskunft von Gaebler verhandeln Verwaltung und Wasserbetriebe mit dem privaten Investor, sein Projekt als Pilot zu übernehmen. Eine Umsetzung in großem Stil „wäre aber nicht zielführend“: Zum einen müsste dann das Spreeufer über weite Strecken mit solchen Containern behängt werden, denn die 480 Kubikmeter des Prototyps entsprechen weniger als 0,2 Prozent der avisierten Gesamtmenge. Zum anderen bleibe die Speichervariante – aktuell wird mit 3600 Euro pro Kubikmeter gerechnet – relativ teuer.

An der Chausseestraße soll ein 17 000 Kubikmeter großes Überlaufbecken entstehen

Das größte Einzelprojekt wird zugleich das letzte auf der fast 50 Punkte langen Liste: Bis 2021 soll an der Chausseestraße für rund 40 Millionen Euro ein 17 000 Kubikmeter großes Überlaufbecken entstehen – macht 2330 Euro pro Kubikmeter.

Zwar ist der Nutzen des Mega-Vorhabens unbestritten, aber Umweltexperten sehen es kritisch. Aus ihrer Sicht wäre es klüger, möglichst viel Regenwasser vor der Kanalisation zu retten – etwa durch Gründächer und Versickerung an Ort und Stelle. Das spare Kosten und Energie.

Fünf neue Fischarten leben wieder in den Gewässern

Nichtstun wäre dagegen schon wegen der Wasserrahmenrichtlinie der EU keine Option. Sie verlangt, dass die Gewässer sukzessive in einen „guten Zustand“ zu versetzen sind. Dass Berlin dabei vorankommt, beweisen neben den Messwerten auch fünf neue Fischarten: Mit Sonnenbarsch, Goldorfe, Blaubandbärbling, Bachsaibling und Schmerle sind nun insgesamt 38 nachgewiesen. Wobei Experten sich vor allem über die Schmerle freuen, weil nur sie als heimisch zählt. Von 1920 bis 2010 galt sie als verschollen. Jetzt lebt sie wieder in der Erpe. Dieses auch als Neuenhagener Mühlenfließ genannte Bächlein mündet in Köpenick in die Spree – und besteht in sommerlichen Trockenperioden im wesentlichen aus dem gereinigten Abwasser, das aus dem BWB-Klärwerk Münchehofe am östlichen Stadtrand hineinfließt.

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