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Sanierungsfall. Das Ufer des Landwehrkanals (hier: Urbanhafen) ist marode und wird mit Steinsäcken gesichert.

© F.: Kleist-Heinrich, Heinrich

Sanierung nötig: Streit um marode Befestigung am Landwehrkanal ufert aus

Die Sanierung des Landwehrkanals entwickelt sich zur unendlichen Geschichte. 25 Institutionen mischen bei den Sanierungsplänen mit.

Von Fatina Keilani

Das Mediationsverfahren, in dem alle Pläne zur Rettung der gefährdeten Kanalufer entwickelt werden, scheint selbst auszuufern. Zahlreiche Arbeitskreise und -gruppen tagen regelmäßig, das „Forum“ hält am 6. Februar seine 34. Sitzung ab, aber beschlossen ist nichts. Bei dieser Sitzung sollen laut Wasser- und Schifffahrtsverwaltung immerhin „Realisierungsvarianten“ vorgestellt werden. Wenn alles hinreichend diskutiert ist, sollen daraus „Zielvarianten“ für einzelne Uferabschnitte entstehen.

Begonnen hatte es im April 2007. Damals sackte die gemauerte Kanalwand am Maybachufer ab. Taucher stellten daraufhin fest, dass die gesamte Uferbefestigung des Kanals auf einer Länge von rund elf Kilometern marode ist. Die heute denkmalgeschützte Anlage war 1850 eröffnet und von 1883 bis 1890 erweitert worden. Gebaut wurde der Kanal mit einer Tiefe von zwei Metern, doch der Grund ist teilweise auf 2,80 Meter gesunken – und liegt damit unter den Uferwänden, die nur 2,20 Meter in die Tiefe reichen.

Nachdem die Schäden erkannt worden waren, wollte das Wasser- und Schifffahrtsamt als schnelle Reaktion rund 200 alte Bäume fällen. Ihr Gewicht, so glaubte man, lasse das Ufer absacken. Dagegen gab es massive Proteste, Bürgerinitiativen gründeten sich, eine „Baumpatrouille“ hielt Wache. Die Proteste hatten Erfolg. „Es wurden am Ende nur 37 Bäume gefällt, die letzten Fällungen fanden am 5. Juli 2007 unter Polizeischutz statt“, erinnert sich Evelyn Bodenmeier, die bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes für das sensible Thema die Öffentlichkeitsarbeit macht. Mittlerweile sei auch wissenschaftlich nachgewiesen, dass das Wurzelwerk der Bäume eher gut ist für eine Stabilisierung des Ufers. Bürger und Naturschützer hatten also recht.

Alle Interessengruppen wurden sodann ins Mediationsverfahren einbezogen, und kein Baum wird mehr ohne Bürgerbeteiligung gefällt. Insgesamt befinden sich 25 Institutionen im Mediationsverfahren. „Es ist ein Konsensverfahren, aber Konsens ist bei der Heterogenität der Beteiligten nicht leicht herzustellen“, sagt Evelyn Bodenmeier.

Sandsäcke sichern das marode Ufer.
Sandsäcke sichern das marode Ufer.

© F.: Kleist-Heinrich, Heinrich

Wie komplex das Ganze ist, ahnt niemand, der dort einfach entlangspaziert. Zunächst einmal wegen der vielen Beteiligten: Der Landwehrkanal ist eine Bundeswasserstraße erster Klasse, der Bund ist also mit im Boot. Die 10,7 Kanalkilometer führen durch fünf Bezirke, von denen jeweils das Grünflächenamt, das Tiefbauamt und das Ordnungsamt Kompetenzen haben. Übergeordnet ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zuständig. Die Berliner Wasserbetriebe haben 114 Einleitbauwerke auf der Strecke, außerdem sind noch Umweltverbände, Reedereien, Sportvereine mit von der Partie. Der Kanal hat 400 000 direkte Anwohner und 1,4 Millionen im Einzugsbereich.

„Grundsätzlich ist so eine Mediation sehr gut, aber sie sollte sich auf den Interessenausgleich beschränken“, sagt Ulrike Kielhorn, Naturschutzreferentin beim Naturschutzbund (Nabu). „Um das Verfahren effizienter zu machen, sollten die Fachleute auch mal etwas entscheiden können.“ In dem laufenden Verfahren sei das nicht so. Immer wenn man denke, jetzt sei man einen Schritt weiter, komme wieder ein Einwand, und alle stünden wieder am Anfang.

Stadtrat Hans Panhoff (Grüne), in Friedrichshain-Kreuzberg zuständig für Umwelt und Verkehr, hält es deswegen für denkbar, dass der Kanal erst um 2030 saniert ist: „Zehn bis zwölf Jahre werden die Arbeiten brauchen.“ Vermutlich würden sie aufgeteilt und jede der Tranchen europaweit ausgeschrieben. Selbst wenn es also sofort losgehen könnte, wäre nicht vor 2014 Baubeginn.

Doch von Losgehen kann noch lange keine Rede sein. Immerhin soll laut Evelyn Bodenmeier noch dieses Jahr eine Haushaltsunterlage erstellt werden. Auch hier steckt der Teufel im Detail. Wenn das Vorhaben nicht als Sanierung, sondern als Investition anzusehen wäre, müsste es in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden, wo auch die A 100 schon steht. Die zwischenzeitlich geschaffenen Provisorien werden also noch eine Weile halten müssen: Etwa die Steinsäcke im Wasser des Urbanhafens und an der Baerwaldbrücke. Sie sollen das Ufer unter Wasser stabilisieren. Auch die Spundwände nahe dem Maybachufer sind nicht gerade hübsch. Sie sollen im Lauf des Jahres gekürzt werden, damit sie nicht mehr aus dem Wasser ragen – bislang ein Sammelplatz für Müll. Die Schifffahrt wird noch jahrelang als Einbahnstraße stattfinden müssen.

Achim Appel vom Verein „Bäume am Landwehrkanal“, zugleich Bürgervertreter der ersten Stunde im Mediationsverfahren, sieht die Schuld an dem Zeitverlust allerdings nicht bei den Bürgern, sondern bei der Verwaltung. Deren Schwerfälligkeit führe zu Zeitverlust und höheren Kosten, da der Kanal durch die zunehmende Schifffahrt „immer weiter kaputtgefahren“ werde. Im Gegensatz dazu seien durch den Einsatz der Bürger in erheblichem Maß Kosten gespart worden.

2007 wurde übrigens mit drei Jahren Sanierung gerechnet.

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