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Der 108 Jahre alte Wasserturm Altglienicke steht in einem gewachsenen Wohngebiet. Neben seinem Fuß verrottet eine alte Hort-Baracke, um seinen Kopf trägt er eine Schutzplane, weil die baufällige Mauer abgetragen werden musste.

© Stefan Jacobs

Wassertürme in Berlin: Das Wahrzeichen von Altglienicke verfällt

Viele Wassertürme werden kreativ genutzt - doch der Wasserturm am Falkenberg in Altglienicke verfällt. Dabei ist er im Südosten der Hauptstadt ein Wahrzeichen.

Wassertürme sind architektonische Höhepunkte: in einstöckig-platten amerikanischen Käffern im Wortsinn, im etwas höher aufragenden Berlin zumindest im übertragenen. Ihren ursprünglichen Zweck, die Umgebung per Schwerkraft mit dem zuvor hinaufgepumpten Trinkwasser zu versorgen, erfüllen die meisten schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Folglich brauchen sie jemanden, der sich ihrer erbarmt.

Im Treptower Ortsteil Altglienicke, einer gewachsenen, aber architektonisch faden Wohngegend, grüßt seit gut 100 Jahren der Wasserturm am Falkenberg: Sogar von der S-Bahn Richtung Grünau und Schönefeld aus ist er gut sichtbar. Das zugehörige Wasserwerk verfällt seit der Wende. Und um den neogotischen Turm steht es kaum besser. Seit Jahren steckt sein Kopf mit dem Wasserbehälter in einer weißen Plane, nachdem die Ummauerung wegen Einsturzgefahr abgetragen werden musste. Eigentümer Michael Eyberg, Geschäftsführer einer Dachbaufirma, hat den Turm vor 15 Jahren gekauft, wollte ursprünglich selbst ins Dachgeschoss ziehen, die Mittelebene für Gewerberäume und den Fuß als Kulturtreff nutzen, erzählt Katrin Vogel, die als lokale CDU-Vertreterin im Abgeordnetenhaus sitzt und sich in der Bürgerinitiative Wasserwerk Altglienicke engagiert.

Haben Querulanten den Investor vergrault?

Jetzt sagt Eyberg auf Nachfrage, dass er keine öffentliche Nutzung mehr plane und sein Vorhaben „sich noch ein bisschen zieht“. Es gebe auch keine Eile, da das Denkmal ja gesichert sei. Von der Euphorie, mit der Eyberg vor mehr als zehn Jahren sein Vorhaben in einem Zeitungsartikel beschrieben hatte, ist nichts mehr zu hören. Immerhin sagt er, er sei „in gutem Kontakt mit den Nachbarn“.

Katrin Vogel berichtet dagegen, dass manche direkte Nachbarn vor Jahren schon bei einer kleinen Grillparty am Fuße des Turms wegen angeblicher Geräuschbelästigung protestiert und den Investor vergrault hätten. Der könnte nach Auskunft von Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD) jederzeit „wieder anklopfen“, damit das Bezirksamt das 2003 begonnene „vorhabenbezogene Bebauungsplanverfahren“ für die neue Nutzung des Turms fortführt. Das bedeute allerdings auch, dass Eyberg dafür Gebühren zahlen und das Amt die Nachbarschaft anhören müsste. Also auch die Querulanten, sofern die Version der Bürgerinitiative stimmt. Die hat schon eine Hochspannungstrasse der Bahn quer durch den Kiez und den Abriss des denkmalgeschützten Wasserwerks verhindern können. Aber die Wiederbelebung des Wasserturms ist auch ihr zu hoch.

Turm der Liebe

Kiez-Blogs und Bezirksarchive widmen sich den Wassertürmen. Es gibt auch zwei Bücher über die markanten Berliner Bauwerke, die an vielen Orten noch immer das Stadtbild prägen. Dabei dienen die Türme ihrer früheren Funktion nicht mehr. Heute wird der erforderliche Druck in den Leitungen bis zum heimischen Wasserhahn mit elektrischen Pumpen erzeugt. Früher speicherten die Türme in großen Becken in der Höhe das Wasser – von dort floss es ohne Pumpen in die Leitungen. Zum Teil wurden die Türme in Wohnungen, Büros oder Bars umgewandelt. Einige stehen leer und verfallen.

IN DER STADT

Der Versorgung der Bevölkerung dienten in Berlin 19 Wassertürme. Sie wurden überwiegend von renommierten Architekten gebaut – dies zeigt die Bedeutung, die die Bauten einst hatten. Der Charlottenburger Turm wurde zum Beispiel von Heinrich Seeling entworfen, der im Bezirk auch das alte Opernhaus erbaut hat (eröffnet 1912; zerstört 1943) und auch die Oper in Nürnberg. Von den städtischen Türmen existieren noch elf, sie alle stehen unter Denkmalschutz. Am bekanntesten sind wohl die beiden Steglitzer Türme auf dem Friedhof Bergstraße und auf dem Fichtenberg, der Wasserturm Prenzlauer Berg in der Knaackstraße und die beiden Wassertürme im Charlottenburger Ortsteil Westend: Sie alle sind recht hoch, weithin sichtbar und sehen auch aus wie ein Wasserturm.

Das Exemplar in Heinersdorf ähnelt eher einem Rathausturm, und das ist kein Zufall: Ursprünglich sollte der Bau Teil eines geplanten repräsentativen Rathauses für den heutigen Pankower Ortsteil werden. Der erste Weltkrieg stoppte das Vorhaben, der Turm blieb erhalten. Allerdings beschädigte ein Feuer im Juni 2014 das Innere stark. Mit 60 Metern ist Heinersdorf einer der höchsten in der Stadt, der niedrigste steht in Hermsdorf (25 Meter). Acht städtische Türme sind abgerissen worden, zum Teil schon vor dem Zweiten Weltkrieg.

AN DER EISENBAHN

Von den elf gebauten Wassertürmen sind neun erhalten. Sechs von ihnen stehen unter Denkmalschutz, zuletzt wurde 2013 der im Deutschen Technikmuseum am Anhalter Bahnhof in die Liste aufgenommen. Dazu gehört unter anderem der „Casinoturm“ am S-Bahnhof Frohnau, der mehr wie ein Kirch- oder Rathausturm aussieht. Der bekannteste Eisenbahn-Turm dürfte der am Ostkreuz sein, zehntausende rollen täglich mit der S-Bahn an ihm vorbei.

Ein anderer Wasserturm, an der Moabiter Beusselstraße, tarnt sich als Stellwerk. Er versorgte einst die Dampflokomotiven auf dem Güterbahnhof Moabit mit Wasser. Der Lokschuppen daneben ist längst verschwunden. Dieses Schicksal könnte auch den Eisenbahn-Türmen drohen, da sie häufig auf Bahngelände stehen und es keine Nutzung mehr gibt. Im Umland zerfallen einige Türme bereits, wie der in Potsdam-Wildpark.

AN KRANKENHÄUSERN

Sechs Kliniken haben eigene Wassertürme, die alle erhalten sind, darunter im Weddinger Rudolf Virchow, in Neukölln, Westend und Buch. Alle stehen unter Denkmalschutz.

AN FABRIKEN

Acht Fabriken hatten eine eigene Wasserversorgung über einen Turm, sieben von ihnen stehen unter Denkmalschutz. Darunter ist der jüngste aller Wassertürme, nämlich der 1968 von der Gasag für das Gaswerk Marienfelde gebaute. In den Nachkriegsjahrzehnten sind mehrere Türme schon wieder abgerissen worden.

UND DIE ANDEREN?

Vier weitere Wassertürme stehen auf einer Liste des Internetlexikons von Wikipedia, drei existieren noch: Jungfernheide (der nur für die Parkbewässerung da war), Botanischer Garten in Lichterfelde und der im Gefängnis Plötzensee. Zwei stehen unter Denkmalschutz. Abgerissen ist der 1896 zur Weltausstellung in Treptow gebaute Turm.

Immer wieder sonntags: die große Tagesspiegel-Serie in der Kultur zu Berlins Türmen. Nächste Folge: der Radarturm in Tempelhof. Mehr unter www.tagesspiegel.de/tuerme

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