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Berlin: Weg mit Graffiti – je schneller, desto dauerhafter

Eigentümer haben eine erfolgreiche Taktik gegen beschmierte Hauswände entwickelt: Aufgesprühtes gleich übertünchen

GraffitiBekämpfer Karl Hennig nimmt gerne dieses Beispiel: Sechs Jahre lang war die Hansa-Bibliothek in Tiergarten von oben bis unten beschmiert. Dann wurde das Gebäude gereinigt. Eine Woche später waren 23 Quadratmeter erneut verschandelt. Sofort kam wieder der Maler und tünchte über. Eine Woche danach wiederum wurde die Fassade noch einmal mit Sprühdosen traktiert, wieder rückte der Maler an, wieder also wurde das Geschmiere schnell überstrichen – mit dauerhaftem Erfolg. „Seit November ist da keiner mehr rangegangen“, sagte Karl Hennig vom Verein „Nofitti“ gestern. Nofitti kämpft seit zehn Jahren gegen diesen Vandalismus, im April veranstaltet Noffiti in Berlin einen internationalen Kongress gegen Graffiti. Dort werden vor allem skandinavische Städte ihr Erfolgskonzept präsentieren: Keine Toleranz, Schmierereien sofort beseitigen.

Nur so könne der Kampf gegen die Schmierer gewonnen werden, sagt Hennig: „Die Schmierer wollen ihre Schriftzüge und Bilder länger sehen als einen Tag“, Spraydosen seien schließlich teuer. Mehrere Wohnungsbaugesellschaften hätten mittlerweile Verträge mit Malerfirmen, die eine Beseitigung innerhalb von 24 Stunden garantieren. So lässt der Vaterländische Bauverein seine 2000 Wohnungen in Berlin im Falle eines Falles von der Firma Colour Clean reinigen – und zwar sofort. Im vergangenen Jahr gab es wegen des sofortigen Einsatzes nur noch zwei Schmierereien, sagte der Technische Leiter des Bauvereins, Ulrich Burow: „Der Trend ist rückläufig.“ Auch Burow kann eine konkrete Erfolgsgeschichte erzählen: Nach der Sanierung eines Hausdurchgangs in der Steglitzer Treitschkestraße sei die Wandfarbe „noch nicht trocken gewesen, da war das wieder besprüht“. Die Malerfirma rückte gleich wieder an – und „seither ist Ruhe“.

„Die beste Prävention ist schnelle Beseitigung“, bestätigt der Leiter der Sonderkommission „Graffiti in Berlin“, Marko Moritz. Nur so könne man den Tätern die Motivation nehmen. Die Polizei schätzt den harten Kern der Szene auf 200 bis 300 Täter. Manche wurden schon mehrere hundert Mal erwischt, sagt Moritz. Seit zehn Jahren jagt die Soko Schmierer, etwa 1000 Täter werden pro Jahr ermittelt, die etwa 3600 Taten begangen haben. 95 Prozent der Täter seien männlich; zusammengeschlossen haben sie sich in 30 bis 100 „Crews“, wie sie in der Szene genannt werden. Auffällig sei, dass die Gewaltbereitschaft in der Szene gestiegen sei, sagte Moritz. Eine gut organisierte Crew lasse sich von Passanten oder Wachschützern nicht mehr vertreiben, „die verteidigen sich, bis sie ihr Werk vollendet haben“ – und zwar mit Waffengewalt. „Ein Teil sprüht, ein Teil sichert, ein Teil fotografiert“, beschreibt Moritz die Arbeitsteilung.

Die Fotos der Bilder werden in Mappen gesammelt oder ins Internet gestellt, um damit Ruhm zu erwerben. Mittlerweile werden selbst Bäume besprüht, sagte Moritz. Die Berliner CDU schätzt, dass allein in Berlin 2004 ein Schaden von mindestens 50 Millionen Euro entstanden ist – nicht enthalten sind darin die Aufwendungen privater Hauseigentümer.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roland Gewalt forderte gestern die rot-grüne Regierungskoalition auf, den seit zwei Jahren im Bundestag hängenden Gesetzentwurf für ein Graffitibekämpfungsgesetz „endlich zu verabschieden“. Diese Gesetzesverschärfung hatten in seltener Einigkeit 15 der 16 Länder eingebracht. „Die Grünen blockieren das“, sagte Gewalt. Mit dem neuen Gesetz sollen grundsätzlich alle Schmierereien bestraft werden. Derzeit müssen zum Beispiel Hauseigentümer häufig nachweisen, dass tatsächlich ein Schaden entstanden ist. „Das ermutigt die Schmiererszene doch nur“, ärgert sich Nofitti-Chef Karl Hennig. Ha

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