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Berlin: Wegen dieser Delikte verurteilte das Landgericht die beiden Betreiber eines Bordells

Die Vorwürfe klingen wie Hammerschläge: Menschenhandel, Zuhälterei, gewerbsmäßiges Herbeiführen von Scheinehen. Der Angeklagte zieht den Kopf ein und schaut tief bekümmert durch den Gerichtssaal.

Die Vorwürfe klingen wie Hammerschläge: Menschenhandel, Zuhälterei, gewerbsmäßiges Herbeiführen von Scheinehen. Der Angeklagte zieht den Kopf ein und schaut tief bekümmert durch den Gerichtssaal. Er schüttelt mit dem Kopf und stützt das Kinn in die Hand. Doch es ist wahr. "Ja, ich habe die Konzession für die Midnight-Bar angemeldet", sagt der Mann auf der Anklagebank, und das Geständnis scheint ihn zu erleichtern. Der Vorsitzende Richter Karl-Heinz Oplustil könnte jetzt einen Schlußstrich ziehen, sich mit seiner Strafkammer beraten und einen Urteil fällen. Doch draußen, vor der Tür des Gerichtssaal 606 im Kriminalgericht Moabit, warten drei Zeugen. Zwei von ihnen sollen aussagen.

Eine zierliche Frau aus Thailand nimmt im Zeugenstand Platz und versucht zunächst, das Gericht durch Lächeln für sich zu gewinnen. Das ist naiv. Denn die Richter sehen beim ersten Blick in ihre Akten, dass die 46-Jährige mit dem sanften Augenaufschlag bis zuletzt drei Jahre Gefängnis wegen Menschenhandels und Zuhälterei abgesessen hat. Der Vorsitzende hält die Blätter mit dem Urteil in der Hand und zitiert daraus. Dann folgt Frage auf Frage: "Stimmt es, dass Sie die Frauen aus Thailand geholt, zur Prostitution gezwungen und die Arbeitsbedingungen bestimmt haben?" "Musste jede Frau 30 000 Mark an Sie zahlen?" "Wurden die Pässe eingezogen und weggeschlossen?" "Standen die Frauen ständig unter Aufsicht?" "Mussten sie den Löwenanteil ihrer Einkünfte abliefern?" Aus dem Gesicht der Zeugin weicht das Lächeln. Sie erträgt es nur schwer, dass sie über Ereignisse reden soll, die sich zwischen 1992 und 1994 abgespielt haben. "Ich fühle mich bedroht", sagt sie. Aber es gibt keine Bedrohung. Der Vorsitzende hält der Frau, die seinerzeit im Bordell "Midnight-Bar" als "die Tante" tituliert wurde, nur ihre eigenen Geständnisse vor. Doch die Zeugin ist trotzig. Nein, sie habe nicht den Lohn für jeden dritten Freier eingestrichen, sagt sie. Sie habe niemanden gezwungen, sondern nur allgemeine Regeln vorgegeben. "Die Frauen kannten die Preise und einigten sich selbstständig mit den Freiern", sagt sie. Niemand sei aus Thailand nach Berlin gelockt worden, alle Frauen hätten sich bereits in Deutschland aufgehalten. "Sie wussten, um was für Arbeit es ging. Als Serviererinnen hätten sie auch zu Hause arbeiten können", versichert die Zeugin. Doch laut ihrem Urteil hat sie Frauen in einzelnen Fällen 15 000 Mark vorgeschossen und dafür 30 000 Mark Schulden angesetzt. Nach einem einstündigen Verhör steht für den Vorsitzenden Richter fest, dass sich die Zeugin wegen falscher Aussagen erneut vor Gericht verantworten muss.

Für den Angeklagten geht der Tag wesentlich besser aus als für seine ehemalige Geschäftspartnerin. Er wird verurteilt, eine Geldbuße von 2000 Mark zu zahlen und auf die Entschädigung für acht Wochen Untersuchungshaft zu verzichten. Danach darf er nach Hause gehen. Woher er das Geld nehmen soll, weiß er nicht. Als er noch Konzessionär der "Midnight-Bar" war, bekam er von "der Tante" 800 Mark im Monat. Aber das Geld von damals ist schon lange futsch.

Michael Brunner

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