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Morgen Kinder, wird’s was geben. Christine Martens (2.v.r.) gehört zu den Initiatoren des lebendigen Adventskalenders. Hinter Türchen Nummer 2 in der Pasteurstraße gab’s Weihnachtsmusik. F

© Doris Spiekermann-Klaas

Weihnachten in Prenzlauer Berg: Ein ganzer Kiez wird zum Adventskalender

Anwohner in Prenzlauer Berg öffnen täglich eine Tür - zu ihren eigenen Häusern. Denn Nachbarn im Bötzowviertel haben einen lebendigen Adventskalender organisiert. Und Überraschungen gibt's auch.

Im Türfenster am Hauseingang hängt eine rote Eins, mit weißen Wattebäuschen beklebt, unweit davon glitzert eine große Zwei am Eingang. Christine Martens geht ein paar Schritte weiter und deutet auf eine Scheibe im Erdgeschoss: die 20, hellgrün auf dunkelgrünem Grund. Ums Eck leuchtet in der abendlichen Dunkelheit, ebenfalls grün, die Zehn im Fenster einer Apotheke.

Im Bötzowkiez in Prenzlauer Berg verteilt kleben sie: die Türchen zum lebendigen Adventskalender. Jeden Abend ab 18 Uhr versammelt sich die Nachbarschaft für eine halbe Stunde vor den Türchen – eingeladen von Privatpersonen, Ladenbetreibern, Initiativen aus dem Kiez. Christine Martens hatte die Idee zum Kalender und hat gleich das erste Türchen übernommen. Vor der Eins an ihrem Hauseingang haben sich am 1. Dezember rund 30 Leute versammelt. Ein Posaunenquartett der Evangelischen Advent-Zachäus-Kirchengemeinde hat Weihnachtslieder gespielt, Martens hat eine Geschichte vorgelesen, es gibt Plätzchen.

Tür Nummer 2. In der Pasteurstraße gab es Musik im Hausflur.
Tür Nummer 2. In der Pasteurstraße gab es Musik im Hausflur.

© Björn Seeling

Die Geschichte war von Eckart von Hirschhausen: „Sprung ins Kalte“. Christine Martens fand das passend: „Für mich ist der Adventskalender ja auch ein bisschen ein Sprung ins Kalte.“ Erst im Oktober ist sie in den Bötzowkiez zurückgekehrt, nach sieben Jahren im Ausland, zuletzt in Costa Rica. Schon seit zehn Jahren haben die 53-Jährige und ihr Mann im Kiez eine Wohnung, wo sie in den vergangenen Jahren nur zum Sommerurlaub waren. Jetzt verbringen sie hier zum ersten Mal wieder die Weihnachtszeit.

Schon in Costa Rica hatte Christine Martens im vergangenen Jahr einen lebendigen Adventskalender organisiert, um auch in der Ferne ein wenig Adventsstimmung aufkommen zu lassen – mit Erfolg: „Ich habe die Adventszeit noch nie so intensiv erlebt, wie wenn wir jeden Abend mit 20 bis 25 Personen von Haus zu Haus gegangen sind.“

Im Bötzowkiez fühlt sie sich schon immer richtig wohl. Ob im Haus, auf der Straße, beim Einkaufen – überall entstehen Kontakte. Und bürgerschaftliches Engagement wie das der Gärtnerinitiative Arnswalder Platz inspirieren Martens, selbst aktiv zu werden.

Harfe und Tuba erklingen im Hausflur

Jetzt muss sie los, es ist viertel vor sechs, das vierte Türchen will geöffnet werden. Nach einem Aufruf über den Verteiler der Gärtnerinitiative hat sie die Anmeldungen koordiniert. Was sie dahinter erwartet, weiß sie selbst nicht. Wie es sich gehört, ist also jedes Türchen auch für Martens eine Überraschung. So dürften etwa am 2. Dezember auch einige Anwohner zum Feierabend nicht schlecht gestaunt haben: Da haben in einem Hausflur in der Pasteurstraße 29 Harfe und Tuba gespielt.

Auf dem Weg kommt Martens am hell erleuchteten Fenster der Bäckerei Lau vorbei. Hier hängt eine schlanke rote Drei hinter der Scheibe, das Türchen vom Vortag. „Frau Lau hat eine lustige Geschichte von Rosi der Rosine vorgelesen“, sagt Martens. Die Rosine endete in einem Stollen – den gab es ebenfalls vor der Bäckerei, sowie Kinderpunsch und Glühwein.

Der Kiezverein ist auch dabei

Die Tür zur Bäckerei öffnet sich. „Ah, da ist Herr Pflug, der die Zehn macht“, sagt Christine Martens. Michael Pflug ist Pfarrer der Evangelischen Advent-Zachäus-Kirchengemeinde und Martens’ Nachbar. Sie nimmt ihn gleich mit zur Kurt-Tucholsky-Bibliothek, wo der Verein Pro Kiez e. V. das vierte Türchen öffnet.

Die Vier, selbst genäht aus mit Goldfäden durchwirktem Stoff und gestopft, baumelt über dem Haupteingang der Bibliothek. Davor stehen Kerzen und zwei Stühle mit großen Töpfen, aus denen Apfelpunsch und Glühwein dampfen. Aus dem erleuchteten Hinterhof tönt ein Summen: Der Chor stimmt sich ein, der gleich Weihnachtslieder singen wird.

Es gibt Glühwein und Kekse

Wieder sind knapp 30 Leute gekommen, Kinder starren gebannt in den Schein der Kerzen, die Erwachsenen unterhalten sich bei Glühwein und Keksen. Michael Pflug zündet seine Pfeife an. Klaus Lemnitz, Vorstand im Verein Pro Kiez e. V., mit dem die Mitglieder ehrenamtlich die Bibliothek betreiben, holt zwei Flaschen Wein links und rechts aus seinen Jackentaschen. „Prenzlauer-Berg-Wein“, sagt Lemnitz und bestärkt damit das aufkommende Kiezgefühl.

Auch Elena, 14, und Emma, 15, sind mit ihren Müttern gekommen. Emma freut sich: „Es fühlt sich richtig weihnachtlich an.“ Dann ist es 18 Uhr, Kirchenläuten ertönt. „Das sind meine Glocken“, sagt Michael Pflug und lacht. Der Chor tritt vor die Tür und beginnt zu singen. Die Leiterin animiert alle Umstehenden zum Mitträllern und am Ende ertönen die Stimmen des Bötzowkiezes in einem etwas wirren, dafür aber fröhlichen und mit Sicherheit sehr weihnachtlichen Miteinander.

Die kommenden Türchen des lebendigen Adventskalenders öffnen sich immer ab 18 Uhr: Dienstag, 9.12., in der Hufelandstraße 33, Mittwoch, 10.12., in der Hans-Otto-Straße 42, Donnerstag, 11.12., im Café „Ballon“, Bötzowstraße 49, Freitag, 12.Dezember, Adventssingen bei „Brillen in Berlin“, Bötzowstraße 27, Sonnabend, 13.12., Buchhandlung „Die Insel“, Greifswalder Straße 41

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