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Weissensee: Trend total

Wie man die Gegend hier so nennt? Micha Koch zieht die Augenbrauen hoch, lächelt, ein bisschen gequält sieht es aus.

„Tun Sie mir einen Gefallen“, bittet er. „Sagen Sie nicht ,Langhansstraßenkiez‘.“ Denn so, sagt der Künstler und Gründer des Vereins „Culturlawine“, nenne kein Weißenseer das Gebiet zwischen Gustav-Adolf-Straße und Antonplatz. „Nur Zugezogene und Stadtaktive.“ Von denen gibt es immer mehr in Weißensee, jenem Teil des Großbezirks Pankow, in dem Koch aufgewachsen ist und in dem er, mit kurzen Unterbrechungen, die meiste Zeit seines Lebens verbracht hat.

Was er von der neuen Nachfrage nach seinem Viertel halten soll, darüber ist sich der 50-Jährige noch nicht so sicher. Aber spüren kann er es, das Interesse an Ateliers, Proberäumen und Wohnraum. „Der Trend verstärkt sich, wir kriegen immer mehr Anfragen.“

Micha Koch kann sich gut erinnern, wie Weißensee vor 20 Jahren war, kurz nach der Wende. „Eine tote Gegend, die Cafés waren leer.“ Aber es gab günstigen Raum – und Leute mit Energie und dem Willen, diesen Raum kreativ zu nutzen. Einer von ihnen war Micha Koch. Mit befreundeten Künstlern besetzte er Anfang der 90er Jahre eine alte Möbelfabrik an der Streustraße. Beharrlich warben sie beim Senat für Unterstützung, einigten sich zunächst auf einen Mietvertrag und später auf einen Kaufpreis für das von ihnen sanierte Areal.

Heute vermietet die „Culturlawine“ im Vorderhaus sechs Wohnungen, im Hinterhaus zwölf Ateliers und vier Proberäume für Musiker. Die Miete sei „so gering, wie es geht“, sagt Koch, der auch selbst hier lebt und arbeitet. „Wir mussten uns behaupten, als Kulturinitiative im Hinterhof von Prenzlauer Berg.“

Überhaupt, die Nähe zu Prenzlauer Berg und die Werbung mit derselben, für die hat Koch nicht mehr als Spott übrig. „Als die ersten Wohnungen in den Puccini-Höfen verkauft wurden, warben die Investoren noch ernsthaft mit dem Slogan: Nur vier Kilometer bis zum Kollwitzplatz“, erzählt er. Das hat heute in Weißensee niemand mehr nötig. Das Komponistenviertel zwischen Berliner Allee und Jüdischem Friedhof ist eines der beliebtesten Wohnviertel des Ortsteils. Mit den vielen Zuzüglern aus Mitte und Prenzlauer Berg steigen die Mieten, und wie schön es an manchen Ecken Weißensees ist, spricht sich offenbar herum.

Manchmal sitzt Koch am Weißen See und reibt sich verwundert die Augen: „Da kommen inzwischen schon Touristen hin.“ Doch trotz des neuen Trends denkt er oft: „Mein Gott, ist das prollig hier.“ Dann ist Micha Koch sofort froh, in einer solchen Umgebung zu wohnen – nämlich einer „ganz normalen Wohngegend“.

Micha Koch ist Weißenseer durch und durch – und außer seiner vagen Idee, versuchsweise ein Jahr lang jeden Monat in einem anderen Bezirk zu wohnen, sieht er keinen Grund, wegzuziehen. Auch wenn er findet, dass die Bezirksverantwortlichen ihre Künstler ruhig etwas mehr unterstützen könnten. Und weil ihn Stillstand schmerzt, bekümmert ihn der Zustand des Kulturhaus Peter Edel an der Berliner Allee, das einst für seine Jazznächte berühmt war und inzwischen langsam vor sich hinrottet; seit Jahren wird im Bezirk über die weitere Nutzung gestritten. „Wäre ich in dem Alter, ich würde das besetzen.“

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