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Im Land des Lächelns. Der Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (l.) und Bausenator Michael Müller können im Abgeordnetenhaus schon wieder lachen. Foto: dpa

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Berlin: Weiter, weiter, Wowereit

Der Regierende Bürgermeister übersteht die Vertrauensfrage, doch in der Berliner Politik rechnet keiner mit einem Ende der Probleme.

So viel Schwarz wie an diesem Sonnabend sieht man sogar im stilbewussten Abgeordnetenhaus selten. Fast wie zu einem Staatsakt gekleidet kamen gegen neun Uhr morgens viele der 147 Volksvertreter, um über einen einzigen Tagesordnungspunkt mit besonders sperrigem Titel abzustimmen – über den „Entzug des Vertrauens betreffend den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit“. Als wäre Trauer zu bekunden, erschien Wowereits Stadtentwicklungssenator Michael Müller in schwarzem Anzug und dunkelgrauem Hemd. Dilek Kolat, Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen und aus der Sicht mancher Strategen der SPD eine Kandidatin für die Nachfolge Wowereits, war derart schwarz gekleidet, dass schon ihre Erscheinung jeden Hauch von Freude an der Sitzung dementierte. Kein Politiker verzichtet an solchen Tagen auf unmissverständliche Farbsymbolik; so muss man die Düsternis im Erscheinungsbild vieler Sozialdemokraten wohl als Ausdruck der Treue zur CDU verstehen.

Eingebracht hatten die Grünen den Antrag auf der ersten Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses in diesem Jahr, die dann auch schon eine Sondersitzung war. „Der Regierende Bürgermeister hat unserer Stadt schweren Schaden zugefügt und Berlin national wie international in Verruf gebracht“, heißt es in dem Antrag. Das Vertrauen der Bürger in das Stadtoberhaupt sei „irreparabel“ erschüttert.

Der Mann, um den es ging, war besonders düster gekleidet, Wowereits Krawatte spielte ins Violette. Doch er wirkte entspannt und heiter. Lässig wie fast immer saß er auf dem Chefsessel rechts vom Präsidium und plauderte mit seinem Koalitionspartner Nummer eins, Innensenator und CDU-Landeschef Frank Henkel.

Das demonstrative Verströmen von Zuversicht, Selbstbewusstsein und Verlässlichkeit ist, wenn eine Koalition von der Opposition vorgeführt werden soll, vor der Abstimmung fast so wichtig wie die Abstimmung selbst. Und das, man muss es vor allem den Sozialdemokraten lassen, gelang glatt, fernseh- und fotogerecht. Noch Anfang der Woche hatten zumal die SPD-Säulen der Koalition gewackelt und Risse gezeigt – Wowereit, der sich „geprüft“ hatte, wie er am Sonnabend noch einmal sagte, Fraktionschef Raed Saleh und Landeschef Jan Stöß, die Tage brauchten, um die Krise unter Kontrolle zu bekommen. Doch am Sonnabend schüttelte Saleh derart viele Hände verbündeter CDU-Abgeordneten, dass niemand Zweifel an der Festigkeit und Innigkeit der Koalition haben konnte. Um 9 Uhr 40, genau 23 Minuten nach Beginn der zweiten Sondersitzung des Jahres 2013, verkündete Abgeordnetenhauspräsident Ralf Wieland das Ergebnis: 62 Abgeordnete hatten für den „Entzug des Vertrauens“ gestimmt, aber 85 dagegen. Die eine Stimme über der SPD-CDU-Mehrheit kam vom Abgeordneten Dirk Stettner, der wegen eines Gerichtsverfahrens auf seine Mitgliedschaft in der CDU-Fraktion verzichtet hat.

Wie angekündigt, stand die Koalition also zu Wowereit. Nach der Sitzung und allerlei Händeschütteln im Plenarsaal erfolgte in der Wandelhalle des Abgeordnetenhauses die fast genauso wichtige Interpretation des Ergebnisses. Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop stellte fest, Wowereit sei keinesfalls „gestärkt“ aus der Krise hervorgegangen. Nun stelle sich die Frage, ob Wowereit die Kraft habe, die Probleme durchzustehen.

CDU-Fraktionschef Florian Graf bemerkte zum Abstimmungsergebnis diplomatisch und klug, „absolut gestärkt“ gehe die Koalition aus dieser Sitzung hervor – sprich: die Koalition, nicht Wowereit. Der Regierende Bürgermeister selbst wirkte durchaus gekräftigt vom Votum der Koalition. Ganz pragmatisch forderte er, nun müssten „alle an einen Tisch“ und für den Flughafens und „im Interesse der deutschen Baukunst“ zusammenarbeiten. Alle an einen Tisch und Schluss mit den Forderungen nach persönlichen Konsequenzen und nach der Entlassung von Managern – so redete sich der Regierende aus der Defensive heraus nach vorn, aus dem Schatten des Desaster-Baus in die warme Sonne schöner Zahlen: Dass der Flughafen schon jetzt ein wenig zu klein erscheine, liege doch auch an den Fluggastzahlen, die seit Jahren „deutlich nach oben“ gingen, es liege an 25 Millionen Übernachtungen jährlich, wozu auch die Manager des Flughafens – sprich: Rainer Schwarz – beigetragen hätten. Gewiss betrieben manche Leute dieser Tage „Berlin-Bashing“, sagte Wowereit, doch „die Zahlen sage etwas anderes“.

Gehorchte die Politik allein den Gesetzen der Mathematik, hätte Wowereit Recht. Wenn aber kurz nach Sitzungsende auch die, die das Bündnis zusammenhalten, halblaut darüber reden, dass dessen Frontmann ein Regierender Bürgermeister auf Abruf sei, kommt die Strategie ins Spiel. Dazu haben Sozialdemokraten und CDUler unterschiedliche Vorstellungen. Werner van Bebber

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