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Berlin: Welche Farbe braucht das Tor?: Weiß oder nicht weiß, das ist die Frage

Die Stiftung Denkmalschutz, in deren Regie das Brandenburger Tor restauriert wird, steht vor einer schwierigen Empfehlung an die Politik. Die ästhetische Frage lautet: Soll das Tor seine Sandsteinfassade behalten oder wieder einen Farbanstrich erhalten und wenn ja, welchen?

Die Stiftung Denkmalschutz, in deren Regie das Brandenburger Tor restauriert wird, steht vor einer schwierigen Empfehlung an die Politik. Die ästhetische Frage lautet: Soll das Tor seine Sandsteinfassade behalten oder wieder einen Farbanstrich erhalten und wenn ja, welchen? Baumeister Carl Gotthard Langhans ließ sein Werk 1791 marmorweiß streichen. Die fünfköpfige Expertenkommission, die die Stiftung berät, "neigt zu Marmorweiß", sagt der Stadthistoriker Laurenz Demps. Sein Kommissionskollege Tilmann Buddensieg, Kunst- und Architekturhistoriker, wirbt schon seit Anfang der neunziger Jahre dafür, Landeskonservator Jörg Haspel, der auch dabei ist, allerdings nach Auskunft der Bauverwaltung nicht.

Doch die Experten warten als "zuverlässige Empfehlungsgrundlage" die Untersuchungen einer Restaurierungsfirma ab. Spuren von acht Farbanstrichen seit 1791 werden unterm Mikroskop beäugt, wie der Geschäftsführer der Stiftung und frühere Landeskonservator Helmut Engel sagt. Diese Farbspuren reichen vom Marmorweiß der ersten Jahre über das "Café au lait" von 1804, das nach Protesten wieder abgekratzt wurde, und andere bräunliche Töne bis hin zur einstigen Blattvergoldung des Reliefs unterhalb der Quadriga. Seit 1926 gab es keinen Anstrich mehr.

Wofür ist Engel? "Ich bin im Moment für gar nichts", meint er vorsichtig. Aber seine Sympathie für das Zurück zum Langhansschen Klassizismus schwingt mit, wenn er vom Disput zwischen zwei Denkschulen spricht. Die eine sagt: Das klassizistische Tor ist ein Monument von herausragender Bedeutung und muss sich um seiner selbst willen von den Neubauten am Pariser Platz abheben. Dieser Auffassung ist auch Engel, und diese Schule ist für Marmorweiß. Langhans hat das Tor den Propyläen der Akropolis in Athen nachempfunden, der griechischen Antike. Aber teuren Marmor konnten sich die Preußen nicht leisten, daher der Anstrich als Imitat über dem billigen schlesischen Sandstein.

Die andere Schule sagt: Die Bauten am Pariser Platz und das Tor bilden ein Ensemble. Dafür erließ der Bausenator Anfang der neunziger Jahre eine Gestaltungssatzung, wonach die Neubaufassaden passend zum Brandenburger Tor gestaltet wurden, in Naturstein oder verputzt. Dabei bleibt der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU): "Ich bin für das bisherige Farbbild Naturstein. Entschieden wird nach Historie, Tradition und Ensemble. Man muss aber nicht 209 Jahre zurückgehen." Auch der Stiftungsratsvorsitzende, der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) hält nichts von Marmorweiß.

Doch die Fachleute, der Landeskonservator, der ehrenamtliche Denkmalbeirat und der Senat werden darüber noch lustvoll streiten. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) will eine öffentliche Debatte über die passende Farbe initiieren und die Bürger beteiligen. Kultursenator Christoph Stölzl hatte ebenfalls dafür plädiert: "Das Brandenburger Tor ist ein Kleinod, das jedem gehört." Stölzl liebäugelt mit dem Langhansschen Marmorweiß: "Wenn es so war, kann man es so machen." Und Finanzsenator Peter Kurth (CDU) sagt: "Je länger ich darüber nachdenke, umso besser gefällt mir die Idee Weiß."

Strieder ist skeptisch, doch offen. Er denkt an eine Ausstellung, Computer-Simulationen und Diskussionen: "Man muss sich das ansehen. Es beflügelt die Fantasie und ist eine Gelegenheit, sich die historischen Wurzeln der Stadt bewusst zu machen." Buddensieg hat einen weißen Probeanstrich der Schutzplane angeregt, die das Tor in der Reparaturzeit umkleidet. Am Sandstein hat der Zahn der Zeit genagt, deshalb die Säuberung mit dem schonenden, teuren Laserverfahren. Doch die Erosion kommt von der Luftverschmutzung. Auch das ist ein Grund für die Farbdebatte. "Ein Farbanstrich schützt immer", so Engel.

Um Ostern 2002 soll das Tor wieder schön sauber und heil sein. Wer weiß. 4,6 Millionen Mark Reparaturkosten hat die Privatstiftung veranschlagt, ausschließlich Sponsorengeld. Ursprünglich war von acht bis neun Millionen Mark die Rede. Die Ersparnis hat mit der auf 16 Monate verkürzten Reparaturzeit zu tun. "Die hat uns der Senat aufs Auge gedrückt", sagt Engel.

Doch die Statik und das Fundament machen große Sorgen: "Die Tor-Fundamente müssen aufgegraben werden, um den Zustand zu erkunden. Nach einem Gutachten des Bundesamtes für Materialprüfung ist die Fundamentplatte erheblich gestört." Die Stiftung bemühe sich sehr um Geldgeber für die Sanierung des Fundaments, "eine Zusage haben wir dem Senat nicht gegeben". Wer weiß, wer weiß, ob der Zeitplan wirklich richtig kalkuliert ist.

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