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Welt-Aids-Tag-Botschafter David: "Natürlich hast du Angst vor dem Outing"

© Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Welt-Aids-Tag: Das größtmögliche Outing

David ist HIV-positiv. Zum Welt-Aids-Tag erscheint sein Gesicht auf vielen Plakaten in der Stadt. Es geht ihm um die Normalisierung des Virus. Wie schwierig das ist, erfährt er schon bei der Plakataktion.

Über seine Krankheit zu reden, fällt David nicht immer leicht. Es nicht so, dass ihm die Tränen kommen, er hilflos wäre oder ihm die Sprache stocken würde. Es ist noch nicht mal so, dass man von einer wirklichen Krankheit reden kann. Gerade deshalb benutzt David nicht die Worte, die andere erwarten. Wenn er seine Welt erklären will, spricht er nicht von Schicksalsschlägen. Er sagt dann einfach, wie es ist: „Ich bin ein ganz normaler Mensch, führe ein ganz normales Leben und habe ein ganz normales Immunsystem.“ Mehr braucht es nicht.

David ist 45 Jahre alt und trägt seit acht Jahren den HI-Virus in sich. Der Virus kann zu Aids, dem Immunschwächesyndrom, und damit zum Tode führen. Bei David ist die Krankheit jedoch nicht ausgebrochen, der HI-Virus in seinem Körper liegt unterhalb der Nachweisgrenze. Er ist nicht ansteckend. Man müsse es sich wie eine chronische Erkrankung vorstellen, erklärt David: „Du trägst einen Virus in deinem Körper und lebst damit“. Zwei Tabletten muss er jeden Morgen nehmen und vierteljährlich zum Bluttest. „Und das war es schon an Einschränkungen“.

Weltweit leben nach Schätzungen der Vereinten Nationen derzeit über 34 Millionen Menschen mit HIV. In Deutschland sind es rund 76.000 Menschen. Die Bundesrepublik gehört unter den westeuropäischen Ländern zu den Nationen mit den geringsten Neuinfektionen. Rund 3400 sind es in diesem Jahr, wie das Robert-Koch-Institut vergangene Woche bekannt gab. Die Ansteckungsrate sei seit mehreren Jahren stabil niedrig. Das liege auch am Erfolg vieler Präventionskampagnen, bestätigt David. „Was ein Kondom ist und wie du es benutzt, das weiß heute jedes Kind“, sagt er. Aber was Aids und HIV wirklich seien, wie man damit leben kann, da höre das Wissen auf.

Davids Gesicht hängt daher dieser Tage von vielen Plakaten. Ernst und selbstbewusst schaut er in die Kamera, „Ich habe HIV“, steht als Satz daneben, „und die Akzeptanz meines Chefs“. Es ist eine Offenbarung, es ist die Idee, nicht HIV-Prävention zum Thema zu machen, sondern HIV selbst. Die Plakate gehören zur diesjährigen Kampagne der Deutschen Aids-Hilfe zum Welt-Aids-Tag. Für die Teilnehmer, die Gesichter der Kampagne, ist es das größtmögliche Outing.

„Das Risiko wollte ich eingehen“, sagt David. Es gebe jetzt Arbeitskollegen, die auf ihn zukommen, auch Passanten, und alle gratulieren ihm zu dem Schritt, seine Infektion in der Öffentlichkeit zu zeigen. „Die Leute finden das toll“, sagt David. Sie begegnen ihm mit Interesse anstatt mit Ablehnung.

Man merkt, dass ihn das ehrlich erleichtert. So locker David für sich selbst mit der Ansteckung umgehen mag – „Ich hab‘ jetzt halt HIV“, sagte er sich damals, als er von der Infektion erfuhr – so schwierig ist es, dies anderen Menschen deutlich zu machen. Zwei Jahre hatte David gewartet, bevor er seinen Eltern davon erzählte. „Sie kennen ja nur die Bilder aus den Achtzigern“, sagt David, „ich musste ihnen also wirklich begreiflich machen, dass man heutzutage eine ganz normale Lebenserwartung hat“.

Dieses „Begreiflich machen“ ist es dann auch, was David dazu motiviert hat, ein Gesicht der Kampagne zu werden. Nur so könne er gelingen in der Öffentlichkeit ein Umdenken zu erreichen. Alle müssten begreifen, dass ein HIV-Positiver oder auch ein bereits an Aids Erkrankter nur ein Mensch sei, der wie jeder andere am gesellschaftlichen Leben teilhaben wolle.

Dass doch nicht alles ganz einfach ist, wird klar, wenn es um Davids Arbeit geht. „Natürlich hast du Angst vor dem Outing“, sagt er. Wie sage ich es dem Chef? Wie wird es ankommen? Davids Chef nahm damals alles locker, „er kannte mich ja schon vorher und wusste dass ich gute Leistung bringe, Virus hin oder her“. Wo er arbeitet, könne David dennoch nicht verraten. Im sozialen Dienst, sagt er, das müsse reichen. Er hat Angst, dass mehr Details die Zusammenarbeit mit den Behörden verschlechtern könne.

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