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Flagge zeigen. Libyer demonstrieren in der City-West. Foto: M. Gottschalk/dapd

© dapd

Berlin: Weltpolitik auf dem Kudamm

Libyer aus Deutschland trafen sich zum Protest gegen das Gaddafi-Regime

Erst sind es kaum 100 Menschen, die am Samstagmittag auf dem Gehweg am Adenauerplatz einen Kreis gebildet haben und die rot-schwarz-grünen Fahnen schwenken, an denen die Welt die Gegner des Diktators Muammar al-Gaddafi erkennt. „Eins, zwei, drei, vier – al-Gaddafi, raus mit dir!“, skandiert ein Einheizer in ihrer Mitte rhythmisch. Es ist der Auftakt zu einer Demo der in Deutschland lebenden Libyer. „Fünf, sechs, sieben, acht – al-Gaddafi, gute Nacht!“ Die anderen wiederholen die Parolen im Chor.

Einer von ihnen ist Osama Sheibani. Er sei enttäuscht von der deutschen Enthaltung im UN-Sicherheitsrat, sagt der 34- Jährige, der seit 1998 hier lebt. „Ohne eine Militäraktion wird Gaddafi nicht verschwinden. Meine Eltern in Bengasi haben Angst, dass seine Truppen sie angreifen.“ Bengasi ist die Rebellenhochburg. „Meine Brüder und Freunde sagen, sie würden lieber sterben, als noch Jahre unter Gaddafi leben zu müssen“, sagt Sheibani. Ganz ruhig berichtet er, dass Gaddafis Leute Freunde eines Bruders erschossen haben. „Ohne Vorwarnung“, im Februar auf einer friedlichen Demonstration in Bengasi. Seit drei Tagen erreiche er seine Familie nicht mehr: Die Telefonleitungen seien tot, das Internet funktioniere nur in Tripolis.

Dann hält ein lang erwarteter Bus aus dem Rheinland mit 50 weiteren Demonstranten. Zu den Männern sind auch einige Frauen mit Kindern gekommen. Sie skandieren den nächsten Reim: „Piep- piep, Merkel hat Gaddafi lieb!“ Ja, es sei schwach von der Bundesregierung, dass sie nicht für den Militäreinsatz gegen den Diktator gestimmt habe, finden mehrere hier. „Unser Volk ist dafür, die arabische Liga ist dafür, Frankreich ist dafür“, sagt einer und fügt kühl hinzu: „Die sind wegen der anstehenden Landtagswahlen so vorsichtig.“ Ein anderer sagt, die gelegentlich im Fernsehen auftauchenden Gaddafi-Claqueure seien entweder bezahlt oder gezwungen worden. „Jeder in Libyen weiß, dass Gaddafi tausende Menschen auf dem Gewissen hat. Egal, was kommt – es kann nur besser werden.“

Kurz vor 14 Uhr macht sich die inzwischen rund 300-köpfige Menge auf den Weg in Richtung Gedächtniskirche. Polizisten regeln den Verkehr, ein BVG-Mitarbeiter herrscht einen Fotografen an, der auf die Brüstung des U-Bahn-Eingangs geklettert ist: „Runter hier, Unfalljefahr!“ Autofahrer fluchen über den Stau, der die geplante samstägliche Einkaufstour behindert. Eine Stunde später kommt die Meldung, dass französische Militärjets über Bengasi fliegen. „Das wurde auch Zeit“, sagt ein Teilnehmer. Die Demo hat ihr Ziel erreicht.Stefan Jacobs

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