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Berlin: Wem das Wetter gefällt

Der Sommer war bisher ein Witz, über den niemand so richtig lachen wollte. Dennoch gibt es Profiteure des klammen Klimas. Wir haben die Gewinner gefunden – und nennen auch gleich die Verlierer. Mitleid soll ja manchmal Wunder wirken

GEWINNER

Kinos

Die Branche jubelt über jeden Regentag: 40 Prozent Besucherplus im Juni, 20 Prozent im Mai. „Das Schmuddelwetter unterstützt uns schon“, sagt Jan Oesterlin von der Kinokette Cinestar, „auch wenn starke Filme wie (T)Raumschiff Enterprise auch bei Dauersonne funktionieren.“ Der Verband der Filmverleiher rechnet sogar mit einem neuen Kino-Boomjahr mit rund 160 Millionen Besuchern – auch dank solchen Knüllern wie „Shrek 2“ und „Spiderman 2“. Große Hoffnungen setzen die Kinoleute auch in Michael Moores „Fahrenheit 9/11“, der dieser Tage startet.

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Museen

Im Jüdischen Museum freut man sich über zehn Prozent mehr Besucher als im vergangenen Sommer. Bei den Staatlichen Museen ist die Freude verhaltener. Der Trend sei zwar positiv, aber nicht unbedingt abhängig vom Wetter, meint Pressesprecher Matthias Henkel. „Es wird heute professioneller und intelligenter gereist.“ Man plant exakt und zieht die Planung dann durch – da mag es draußen Bauklötze hageln oder das Thermometer verglühen.

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Reisebüros

Die Branche profitiert vom Trend in den Süden. Allerdings gibt es zu wenig Flüge, weil die Linien das Angebot eingedampft haben. „Es ist schon viel weggebucht“, sagt Claudia Dobe vom Büro „Im Reisefieber“. Türkei, Portugal und Mallorca sind noch zu haben, allerdings kommen die Reisenden erst nach Ende der Ferien wieder in Berlin an.

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Kastanien

Der Miniermotte ist der Regen nicht bekommen. Statt vier Generationen wie im vergangenen Sommer werden sich in diesem Jahr maximal zwei bis drei an den knusprigen Kastanienblättern zu schaffen machen, sagen die Berliner Pflanzenschützer.

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Fitnessstudios

Bei der Fitness-Company sieht man jetzt öfters bekannte Gesichter, die man im vorigen Sommer vermisste. „Die Leute kommen regelmäßiger“, sagt Katja Meinken von dem Unternehmen, das in Berlin und Potsdam 15 Studios betreibt. Noch schlechter sollte das Wetter allerdings nicht werden, sonst fallen die eigens organisierten Outdoor-Veranstaltungen ins Wasser.

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Berliner Hotels

Die Hauptstadt bewegt sich auf eine neue touristische Rekordmarke zu, sagt Natascha Kompatzki von der Berlin-Tourismus-GmbH. „Wir erwarten rund 5,5 Millionen Hotelgäste“, rund 500000 mehr als im Vorjahr. Die Zuwächse bei den Gästezahlen lagen bis Mai bei rund 17 Prozent. Das Wetter ist dafür allerdings nur ein möglicher Grund. Noch wichtigere Einflussfaktoren sind die Verbindungen mit Billigfliegern und das kulturelle Angebot wie die MoMA-Schau.

VERLIERER

Freibäder

Bäderchef Klaus Lipinsky hat Sonne am dringendsten nötig. In Berlins 31 Freibäder kamen im Juni nur 330000 Gäste, im vergangenen Jahr waren es fast ein Million. Kleinere Bäder wie Wernersee in Marzahn, das Bad Mariendorf und das Freibad Halensee sind deshalb geschlossen. Im Badeschiff auf der Spree in Treptow läuft es „mittelmäßig“, heißt es intern. Wegen der vielen Events, Barbetrieb und dem kultigen Image kämen die Leute auch bei schlechtem Wetter, sagt Lone Beck, die Pressefrau vom Badeschiff-Betreiber Arena. Sie wehrt sich vehement gegen das Verlierer-Stigma.

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Eisdielen

Der Traditionsbetrieb Eis-Hennig machte im Juni 40 Prozent weniger Umsatz – eine mittlere Katastrophe. Besonders Fruchteis wird verschmäht.

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Zoos

Den Tieren bekommt das Wetter gut, nur an der Kasse herrscht Katzenjammer: Im Zoo fanden sich sechs Prozent weniger Besucher ein als 2003, im Tierpark liegt das Minus sogar bei 15 Prozent.

Wasserbetriebe

Soviel klares Wasser vom Himmel, da sollten die Wasserbetriebe froh und dankbar sein, sind sie aber nicht. „Das Absatzminus liegt inzwischen bei sieben Prozent“, sagt Stephan Natz. Pro Tag schicken die Wasserbetriebe 600000 Kubikmeter Frischwasser durch die Leitungen, im vorigen Jahr waren es bis zu 900000 Kubikmeter.

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Kleingärtner

Blattläuse und Pilze fühlen sich sehr wohl in diesen feuchten Tagen und setzen den Pflanzen zu. Die Kleingärtner rechnen mit einer schlechten Ernte.

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Einzelhändler

Die Lager für Sommerware seien voll, klagt Klaus Fischer vom Berliner Einzelhandelsverband. Niemand will den Kram kaufen. Auch der Sommerschlussverkauf werde seinem Namen keine Ehre machen.

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Fahrgastschifffahrt

Im Mai und Juni fuhren 25 Prozent weniger Menschen mit der „Stern und Kreis Schifffahrt“, sagt Christian Garbrecht. Bei schlechtem Wetter kämen Berliner und Brandenburger einfach nicht auf die Idee, aufs Schiff zu steigen. „Das kriegt man nicht in die Köpfe rein.“ Die Touristen in der Innenstadt seien da etwas lernfähiger. An schlechten Tagen fahren nur 650 Gäste mit den Schiffen von Stern und Kreis, an guten Tagen sind es zehnmal so viele.

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Biergärten

Schon vor Wochen kamen die ersten Katastrophenmeldungen aus der Branche. Der Bierabsatz ist eingebrochen. Auf PR-Deutsch heißt das: „Der schlechte Sommer macht sich bemerkbar.“ Bettina Pöttken von der Schultheiss-Brauerei darf aber keine Zahlen nennen.

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