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Berlin: Wenig Pils, viel Prosecco

„Es begann mit Erwartungshaltung null“ – und nun? Berlins Wirte ziehen Bilanz nach der Frauen-WM

Anders als bei den Männer-Weltmeisterschaften 2006 und 2010 gab es diesmal keine Fanmeile im Tiergarten und keine Autokorsos auf dem Ku’damm – doch vor den Fernsehern oder Großbildleinwänden fand die Frauen-WM ein großes Publikum. Und davon profitierten auch die Lokale mit „Public Viewing“, wenn auch nicht alle gleichermaßen. Bei den TV-Einschaltquoten war das Finale zwischen den USA und Japan am Sonntag mit bundesweit 15,34 Millionen Zuschauern ein Höhepunkt – nur übertroffen von den Spielen der deutschen Nationalmannschaft, die bis zu 17,01 Millionen Menschen im Fernsehen verfolgten.

„Bei uns herrschte Stadionstimmung“, sagt Torsten Brandt, Chef des Lido an der Kreuzberger Cuvrystraße. In dem vom Tagesspiegel unterstützten „11 Freundinnen-WM-Quartier“ sei es „genauso voll wie bei der Herren-WM“ gewesen, es wurde „geschrien und gesungen“. Dazu trugen Besuchergruppen aus Botschaften der Länder bei, die gerade spielten. Allerdings zeigte das Lido nur die Partien mit deutscher Beteiligung sowie die Begegnungen ab dem Viertelfinale. Aufgefallen ist dem Wirt, dass durch den höheren Frauenanteil unter den Gästen mehr Prosecco über den Tresen ging. Insgesamt ist er „super zufrieden“.

Im Biergarten Golgatha im Kreuzberger Viktoriapark kam es aufs Wetter an: Das Finale wollten nicht viele Gäste draußen im Dauerregen verfolgen. „Aber unter den Schirmen war es voll“, sagt Mitarbeiter Jannis Pohlenz, der als Tresenchef fungierte. „So richtig ging es bei den Spielen der Deutschen ab.“ Zu eher exotischen Vorrundenspielen wie Äquatorialguinea gegen Norwegen trafen sich im Golgatha nur „ein paar wenige Damen“. Zum mäßigen Interesse trug bei manchen Spielen auch der wenig arbeitnehmerfreundliche Anpfiff um 15 Uhr bei.

„Sehr voll und friedlich“ erlebte Wirtin Johanna Ismayr die Übertragungen der Spiele der deutschen Mannschaft in ihrem „Bundespressestrand“ am Schiffbauerdamm in Mitte. Nach dem Ausscheiden der Deutschen gingen die Gästezahlen spürbar zurück. Dennoch ist die Gastronomin zufrieden – „außer mit dem WM-Ergebnis“. Nur selten sah sie Brasilianer, Franzosen oder Angehörige weiterer WM-Nationen im Bundespressestrand. Dafür kamen viele Frauen aus Berlin oder anderen deutschen Bundesländern. „Das war schon bei der Männer-WM so“, sagt Ismayr. Auch bei ihr wurde „mehr Sekt und weniger Fassbier“ getrunken.

„Zwei, drei Spiele in der Vorrunde haben gar nicht funktioniert“, sagt Robby Schlesiger von der „Bar 11“ an der Wiener Straße in Kreuzberg. Während der Spiele der deutschen Frauen „war es so voll wie bei Bundesliga-Übertragungen“. Bei Thorsten Härtel, Wirt der Sportslounge Berlin an der Milastraße in Mitte, „zieht die Zweite Liga mehr als die Frauen-WM“. Da er an Letztere aber „mit der Erwartungshaltung null“ herangegangen war, zeigt er sich „positiv überrascht“.

So ihre Probleme hat die „Kick in Lifestyle Sportsbar“, die in der Spandauer Indoor-Fußballanlage „Kickerworld Berlin“ liegt: „Wir haben im Sommer immer wenig Gäste“, sagt Marketingleiter Jens Phron. „Beim Endspiel war hier niemand.“ Auch bei der letzten Herren-WM sei es kaum besser gewesen.

„Kein wirkliches Fieber, sondern eher Gelassenheit“, beobachtete Andreas Sürken in seiner „FC Magnet Bar“ an der Veteranenstraße in Mitte. Er sah „ein paar geschminkte Mädchen“, aber kaum Fans in Trikots. Unbefriedigend blieb der Umsatz, obwohl sich bei Topspielen bis zu 200 Gäste in der Fußballkneipe drängten. Doch das Publikum war ein anderes als in der Bundesligasaison: „Viele haben sich 90 Minuten am Bier oder Biermischgetränk festgehalten.“ Cay Dobberke

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