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Berlin: Weniger Sozialhilfe für Eltern, die kein Deutsch lernen?

Von Lars von Törne Nach den schlechten Ergebnissen der Sprachtests bei Schulanfängern diskutieren Fachleute und Politiker über Auswege aus dem „Bildungsnotstand“, wie die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU), die Situation bezeichnet. John appellierte an den Senat, mehr Geld in die vorschulische Sprachvermittlung zu stecken und die Ausbildung von Erzieherinnen und Lehrern zu verbessern.

Von Lars von Törne

Nach den schlechten Ergebnissen der Sprachtests bei Schulanfängern diskutieren Fachleute und Politiker über Auswege aus dem „Bildungsnotstand“, wie die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU), die Situation bezeichnet. John appellierte an den Senat, mehr Geld in die vorschulische Sprachvermittlung zu stecken und die Ausbildung von Erzieherinnen und Lehrern zu verbessern. Innerhalb der Regierungspartei SPD kursieren unterschiedliche Rezepte, wie die Sprachdefizite bei Familien ausländischer Herkunft behoben werden können. Während die bildungspolitische Sprecherin der SPD, Felicitas Tesch, an die Freiwilligkeit der Eltern appellieren will und sich für eine bessere Ausbildung der Erzieherinnen ausspricht, erwägt der stellvertretende SPD-Fraktionschef Karl-Heinz Nolte, staatliche Leistungen wie die Sozialhilfe von ausreichenden Deutschkenntnissen abhängig zu machen.

Für Kenner der Materie kommen die Resultate der Sprachstandsmessung, derzufolge zwei von drei Schulanfängern in den Innenstadtbezirken einfachste Deutschkenntnisse fehlen, nicht überraschend. Sie sind, so SPD-Mann Nolte, Folge eines langjährigen „kollektiven Versagens“ von Eltern, Erziehungseinrichtungen und Politik. Deswegen begrüße er die Ankündigung von Schulsenator Klaus Böger, die Kindertagesstätten zu verbessern. Eine besondere Verantwortung sieht der Sozialdemokrat aber bei den Eltern, die keine oder nur geringe Deutschkenntnisse hätten. „Wir müssen erwägen, sie über staatlichen Druck – zum Beispiel über die Sozialhilfe – zur Teilnahme an Sprachkursen zu motivieren.“ So seien die Volkshochschulkurse für Mütter ein erfolgreiches Modell, das aber noch viel zu wenig genutzt werde.

Der schulpolitische Sprecher der CDU, Stefan Schlede, fordert den Senat auf, die Mittel für diese Kurse zu erhöhen. Das Hauptproblem sieht er jedoch in den Kitas. „Viele Erzieherinnen sind selbst kein sprachliches Vorbild – wie sollen die Kinder da Deutsch lernen?“ Ein weiteres Dauerproblem sei die fehlende soziale Betreuung der Kinder nach Kita oder Schule. Dies gelte vor allem für die Problemviertel, aus denen seit Langem schon die Familien abwandern, denen die Bildung ihrer Kinder wichtig sei. „Wir stehen auf verlorenem Posten“, sagt Schlede. „Ich weiß nicht, wo das Geld herkommen sollte, um die Abwanderung aufzuhalten.“

Aus Sicht der Ausländerbeauftragten Barbara John muss die Ausbildung von Erzieherinnen und Lehrern jetzt oberste Priorität haben. „Jahrelang ist versäumt worden, ihnen beizubringen, wie sie die deutsche Sprache professionell vermitteln.“ Auch sei es erforderlich, Vorschulkindern in speziellen Kursen vor der Schule Deutsch beizubringen. Bei den Eltern sieht John hingegen einen positiven Trend: Sprachkurse für Mütter sowie die Arbeit des Lernförder-Vereins „Hippy“ hätten auch bei Eltern, die selbst kaum Deutsch sprechen, „das Bewusstsein eines frühen Deutscherwerbs populär gemacht“.

Manche der Bezirke, in denen die Deutschkenntnisse besonders schlecht sind, hoffen nun, dass der Senat seine Sparpläne revidiert. „Wir brauchen dringend eine Umverteilung der Mittel“, sagt Neuköllns Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD). So sei es nötig, Vorschul- und Schulkindern in den Problemvierteln mehr Ganztagsangebote zu machen: „Viele Kinder aus ausländischen Familien haben Sehnsucht nach spielerischer Betreuung – aber dafür fehlt uns das Geld“, sagt Schimmang. Ebenso wie für den Ausbau der Sprachkurse, die „hervorragend“ angenommen wurden, und an denen jährlich mehrere tausend Mütter teilgenommen hätten. Franz Schulz (Grüne) , Stadtenwicklungsstadrat und früherer Bürgermeister in Kreuzberg, hat da allerdings weniger Hoffnung: „Die Misere ist seit langem bekannt. Trotzdem hat es nicht mehr Geld für Sprachförderung gegeben, weder unter Diepgen, noch unter Wowereit.“ Bildungssenator Klaus Böger wird, so befürchtet Schulz, „wie auch in früheren Fällen das Problem aussitzen: Solange der Notstand in den Medien diskutiert wird, verkündet er Verbesserungen. Danach verschwindet das Thema wieder im Nirwana.“

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