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Auf Fischzug. Die Unternehmer Christian Echternacht, Nicolas Leschke und Caroline vom Böckel unterm Dach der alten Schultheiss-Malzfabrik in der Bessemerstraße. Foto: Clemes Bilan / dapd

© dapd

Berlin: Wenn Backstein ergrünt

Fisch und Gemüse vom Dach, Regen im Teich: Umweltschutz-Preis für Malzfabrik am Südkreuz.

Öko sieht das backsteinrote Ensemble mit dem dicken Betonsilo in der Mitte bestimmt nicht aus, und grün ist nur die Brache nebenan. Trotzdem hat die alte Malzfabrik, die nicht weit vom Südkreuz zwischen Ikea, Bauhaus, Bahn und Postzentrum klemmt, einen der drei diesjährigen Berliner Umweltpreise des BUND gewonnen. Die anderen beiden gingen an die Bürgerinitiative Stuttgarter Platz und die Grundschule im Beerwinkel.

Die Entwicklungsgesellschaft IGG Malzfabrik des Unternehmers Frank Sippel gewann in der Kategorie „Wirtschaft und Innovation“, weil sie für das einst von der Schultheiss-Brauerei genutzte Ensemble ein Öko-Konzept entwickelt hat, das Solides mit Gewagtem kombiniert.

Exemplarisch dafür steht der weiße Container mit aufgesetztem Gewächshaus auf dem Hof. Hier haben die Malzfabrik-Leute im Sommer getestet, was ab 2013 im Dachgeschoss in großem Stil funktionieren soll: die Produktion von Biofisch und Biogemüse in einem Kreislauf, der nur Fischfutter und gelegentlich frisches Wasser benötigt. Karoline vom Böckel, die Nachhaltigkeitsbeauftragte der Malzfabrik, erklärt das „Aquaponic“ genannte Prinzip: Speisefische schwimmen in Becken, deren Wasser von den Pflanzen aus dem Gewächshaus gefiltert wird. Die Pflanzen werden mit Ammonium gedüngt, das die Fische ausatmen und das Bakterien umwandeln. Die Bakterien gibt es beim Leibniz-Institut für Gewässerökologie in Friedrichshagen. Und in den Wasserbecken unterm Dach ist früher die Gerste fürs Bier eingeweicht worden. Wie das Gemüse aus der Pilotphase geschmeckt hat, zeigen Fotos von glücklichen Menschen, die in pralle Tomaten beißen. Ab 2013 soll ein Teil der Ernte vor Ort verkauft, ein Teil an Läden und Gastronomen geliefert werden.

Die Dachfarm wird gewissermaßen der Leuchtturm, zu dessen Füßen Vizechef Nicolas Leschke in die Spätherbstsonne blinzelt und sagt: „Wir wollen es authentisch lassen und nicht totsanieren.“ Statt sich also mit der Denkmalschutzbehörde über Solarfassaden zu streiten, nutzen sie lieber die Löcher auf dem Nachbargrundstück, in die die Fundamente der nie gebauten Bürogebäude gegossen werden sollten. Wenn dort das Regenwasser vom betonierten Hof versickert, spart die Malzfabrik jährlich fünfstellige Gebühren und tut mit den Biotopen nicht nur der Umwelt etwas Gutes, sondern auch Mitarbeitern und Mietern.

Für Sitzgelegenheiten am Ufer des Regenteichs werden sich sicher noch ein paar Altmaterialien zum „Upcycling“ finden, wie Karoline vom Böckel es nennt. Upgecycelt sind etwa die alten Rohre, die jetzt als Fahrradständer und Abfalleimer – mit vier Kammern zur Mülltrennung – dienen. Außerplanmäßiges Upcycling droht allerdings auch den bereits erneuerten Fenstern in der Maschinenhalle: In die alten Rahmen passten nur dünne Scheiben, die schlecht isolieren. Wer etwas anpackt, irrt halt auch mal – so sieht es Firmenchef Sippel. Vielleicht lasse sich mit den dünnen Fenstern später eine Sommerlaube bestücken.

Einer, der sie mietet, wird sich dann auch noch finden. Die Nachfrage sei groß, heißt es. Als „kreativ, nachhaltig und nett“ beschreibt vom Böckel den idealen Mieter. Rund 50 seien es bisher, darunter eine Manufaktur für Puppen und eine Kunststiftung. In Form von „Green Steps“ legen ihnen die Vermieter nahe, beispielsweise zertifizierten Ökostrom und LED-Lampen zu nutzen. In seiner Begründung für den Umweltpreis lobt der BUND die „positive Beeinflussung durch Beratung und Information“ – und das Vorbild, eine Industriebrache ergrünen zu lassen. Stefan Jacobs

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