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Berlin: „Wenn Berlin teurer ist, verweigern wir uns Reformen nicht“ Wissenschafts-Senator Thomas Flierl (PDS) will sich mit den Hochschulen verständigen – über neue Sparziele

WIE RETTEN WIR BERLIN? Herr Flierl, kann die Fusion der Hochschulmedizin ein Modell zur Sanierung der Universitäten sein?

WIE RETTEN WIR BERLIN?

Herr Flierl, kann die Fusion der Hochschulmedizin ein Modell zur Sanierung der Universitäten sein? Bei der Medizin könnten 40 Prozent eingespart werden, in den übrigen Fakultäten bis zu 30 Prozent, sagt der Finanzsenator.

Bisher hat der Finanzsenator nur von 20 Prozent oder 200 Millionen angeblichem Sparpotenzial an den Hochschulen gesprochen. Schon diese Zahlen halte ich für zu hoch. Allerdings ist es richtig zu fragen, wo die Stärken der einzelnen Hochschulen liegen und wo man durch Verbundlösungen Synergieeffekte und möglicherweise strukturelle Einsparungen erzielen könnte. Allerdings sollte man da nicht Fusionen, sondern Kooperationen anstreben.

Das Spargutachten, das die Unternehmensberatung Roland Berger jetzt erstellt hat, kommt aber wieder zu einem Potenzial von 200 Millionen Euro plus.

Ja, ich weiß, und meine Antwort ist dieselbe. Es gibt ganz sicher Sparpotenziale, aber nicht in der Höhe – jedenfalls nicht ohne die Hochschullandschaft zu beschädigen.

Ein Bereich, in dem Sarrazin ein großes Einsparpotenzial sieht, sind die Dreifachangebote von Studiengängen. 13 000 Germanistikstudenten an drei Unis – eine Halbierung wäre kein Schaden für den Wirtschafts und Wissenschaftsstandort Berlin.

Von dieser Art des dirigistischen Eingriffs in die Hochschulstrukturen halte ich gar nichts. Aber wir brauchen schon eine Bedarfsentwicklungsplanung, in der wir ermitteln, was die Region Berlin braucht. Da hat Sarrazin Recht. Berlin ist ein überregional wichtiger Studienort, der über den regionalen Bedarf hinaus ausbilden muss. Darüber hinaus haben wir auch einen beträchtlichen Prozentsatz an ausländischen Studierenden, worauf wir stolz sind. Alle reden über Internationalisierung der Hochschulen, dazu gehört eben auch, ein attraktiver Studienort für ausländische Studierende zu sein.

Aber was ist mit den Dreifachangeboten?

Für einzelne Fachrichtungen muss gefragt werden, welche Chancen Absolventinnen und Absolventen auf dem Arbeitsmarkt haben, welchen Bedarf es an neuen Lehrerinnen und Lehrern gibt und ähnliches. Aber das muss mit den Hochschulen im Rahmen der Hochschulvertragsverhandlungen erarbeitet werden. Wesentliche Struktureingriffe sind ja bereits mit den Evaluierungen des Wissenschaftsrates Ende der 90er Jahre vorgeschlagen worden.

Studiengänge sollen gestrichen werden, wenn sie für den Wirtschafts- und den Wissenschaftsstandort Berlin nicht wichtig sind.

Wenn man da rangeht wie Kollege Sarrazin, wären die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften extrem benachteiligt, obwohl von ihnen am ehesten die Antworten auf die Krise der Stadt zu erwarten sind. Es muss vor allem gefragt werden, wie sich die angebotenen Studiengänge in der Wissenschaftslandschaft Berlin gegenseitig ergänzen. Dabei darf die Grundlagenforschung nicht vernachlässigt werden.

Sehen Sie überhaupt Möglichkeiten, Studiengänge zusammenzulegen?

Im Unterschied zu dem vorschnell agierenden Finanzsenator mache ich so einen Durchgriff nicht. Anders als in anderen Bundesländern sind unsere Hochschulen sehr viel autonomer – durch die Hochschulverträge. Ich setze auf Verständigung, aber ich kann mir solche Konzentrationen gut vorstellen, wenn auch nicht in den Massenfächern.

Nach einer Hochschulstudie sind Berliner Studienplätze viel teurer als in Norddeutschland. Die Kosten der Lehre je Absolvent liegen 56 Prozent über Hamburg, je Professor um 45. Können Sie das erklären?

Diese Zahlen sind Anlass, darüber nachzudenken, warum es eine auffällig andere Kostenstruktur gibt. Sie könnten sich aber auch relativieren, wenn wir die Größe und die regionalen Bedingungen der Berliner Hochschulen einrechnen. Und es gibt wohl auch ganz klare Fehler in diesen Zahlen, die wir jetzt im Vorfeld der Hochschulvertragsverhandlungen klären. Der Finanzsenator zieht Vergleiche gerne mit der Stadt, die ihm gerade gut tut. Wenn sich herausstellt, dass Berlin wirklich teurer ist, werden wir uns aber Reformen nicht verweigern. Wenn wir dazu kämen, Verwaltungskosten oder Gebäudekosten zu reduzieren – um so besser.

Wäre es sinnvoll, die drei Berliner Volluniversitäten gemeinsam zu verwalten?

Darüber denken wir nach. Es gibt natürlich Verwaltungsaufgaben, die gemeinsam wahrgenommen werden können. Abgeordnete von SPD und PDS fordern sehr vehement die Einführung eines gemeinsamen Gebäude- und Immobilienmanagements. Dass die drei Universitäten drei Bauabteilungen haben, erscheint auf den ersten Blick nicht plausibel.

Sarrazin moniert, dass in Berlin das Studium deutlich länger dauert als in anderen Bundesländern. Ist das ein Hauptstadtproblem?

Es gibt hochschulinterne Gründe und es hängt mit der sozialen Lage der Studierenden zusammen, die ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Man muss Bedingungen schaffen, die es den Studierenden ermöglichen, ihren Hauptlebensinhalt im Studium zu finden. Ein Hochschulstudium darf nicht als Zwischenphase des Lebens nach der verregelten Schulzeit gesehen werden, sondern muss von Anfang an ergebnisorientiert sein.

Was halten Sie davon, Studienplätze von den Universitäten an die Fachhochschulen zu verlagern, um Kosten zu sparen?

Es ist sogar erklärtes Ziel der Koalition, die Fachhochschulen zu stärken. Was Übersichtlichkeit, Praxisorientierung und teilweise auch Berufsaussichten betrifft, sind die Fachhochschulen durchaus attraktiver. Das würde auch nicht zu einer Aushöhlung der Universitätsstudiengänge führen. 85 000 Studienplätze können wir in Berlin nur erhalten, wenn es eine gewisse Verlagerung gibt.

In vielen Punkten liegen Sie und der Finanzsenator nicht so weit auseinander. Trotzdem klappt die Kommunikation nicht so recht.

Na ja, es ist schon ein zähes Ringen. Er gerät mit allen Fachressorts regelmäßig in Konflikt, indem er die Gesamtrechnung präsentiert und dann sehr konkrete Ideen für die Ressorts erarbeitet. Seine gesellschaftspolitischen Vorstellungen haben nicht immer etwas mit der Koalitionslinie zu tun. Aber es gibt auch Punkte, wo es in die richtige Richtung geht. Wir sind uns darüber einig, dass man das Gemeinwesen nur dann gestalten kann, wenn es auch finanzielle Spielräume gibt. Und die müssen wir zurückgewinnen.

Das Gespräch führte Amory Burchard

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