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Berlin: Wenn Bischöfe lernen

Das Erzbistum macht jetzt den harten Schnitt, den die Evangelische Kirche schon hinter sich hat

„Dass wir in unserer Kirche zu einem solchen Schritt genötigt sind, schmerzt alle.“ So oder so ähnlich könnte sich Georg Kardinal Sterzinsky in diesen Tagen äußern. Der Satz aber stammt vom evangelischen Landesbischof Wolfgang Huber. Ausgesprochen wurde er im November 1997. Einen Tag zuvor hatte die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg beschlossen, 1000 der 7300 Mitarbeiter zu entlassen, die 1700 Gemeinden um 300 zu reduzieren und den Etat von 807 Millionen Mark 1997 auf 751 Millionen Mark 1998 herunterzufahren. „Damit zurecht zu kommen, war eine ganz ordentliche Lernaufgabe“, sagt Reinhard Lampe, Sprecher der Evangelischen Kirche heute. Jetzt ist auch die Katholische Kirche gezwungen zu lernen.

Nach der Wiedervereinigung mussten die Kirchen in Ostdeutschland saniert werden, in der Verwaltung waren teure Doppelstrukturen entstanden. Die zunehmende Arbeitslosigkeit führte zu einem Rückgang der Kirchensteuereinnahmen. Mitte der 90er Jahre standen beide Großkirchen vor finanziellen Schwierigkeiten. Während die Protestanten ahnten, dass sich die Situation nicht bessern würde, vertrauten die Katholiken darauf, dass neue Mitglieder und eine wachsende Wirtschaft wieder Geld in die Kasse bringen werde. Die Evangelische Kirche machte einen Schnitt, das Erzbistum nahm zur selben Zeit einen Kredit von 70 Millionen Mark auf – es war nicht der einzige. Heute schlagen 148 Millionen Euro Schulden zu Buche.

Kredite für den laufenden Haushalt aufzunehmen, das gebe es in der Evangelischen Kirche nicht, sagt Lampe. Um nicht noch einmal einen Einschnitt wie 1997 zu erleben, baue man nach und nach Stellen ab und reduziere das Budget jährlich um drei bis fünf Prozent. Dieses Jahr müssen die Protestanten in Berlin mit 278 Millionen Euro klar kommen.

Bei der Seelsorge könnten die Sparmaßnahmen der Kirchen bald dramatische Folgen haben. 1997 kürzte die Evangelische Kirche ihren Etat für die Krankenhausseelsorge um nicht weniger als 69 Prozent. 90 evangelische Seelsorger sind in den Krankenhäusern übrig geblieben. Sie betreuen 70 Krankenhäuser. Von 18 Gefängnisseelsorgern blieben fünfeinhalb Stellen übrig. Zwei Diakone, ein angehender Pfarrer und vier pensionierte Pfarrer arbeiten ehrenamtlich. Der private Verein „Kirche und Gefängnis“ zahlt ihnen eine Aufwandsentschädigung.

Noch hat die katholische Kirche doppelt so viele Seelsorger in den Gefängnissen, in den Krankenhäusern sind 70 Pfarrer, Diakone, Pastoralreferenten und Ordensschwestern unterwegs, also schon jetzt weniger als die evangelische Kirche bereitstellen kann, die drei Mal so viele Mitglieder hat. Wegen des Sparens muss nun auch das Erzbistum Seelsorger entlassen. Wie viele es sein werden, das überlegt eine Arbeitsgruppe im Ordinariat. Schon jetzt steht fest, dass zusammen 140 Mitarbeiter in Verwaltung und Seelsorge eingespart werden müssen.

Knuth Fischer, der evangelische Landespfarrer für die Gefängnisseelsorge in Berlin-Brandenburg glaubt, dass die evangelische Seelsorge jetzt „aus dem finanziellen Tief raus ist“. Horst Freyer, der im Erzbistum die Krankenhausseelsorge organisiert, sagt: „Bei uns wird wohl wieder das Ehrenamt mehr in den Mittelpunkt gestellt.“ Als die Evangelische Kirche ihr Budget kürzte, konnten zum Teil die Krankenhäuser die Einbußen auffangen. Viele von ihnen finanzieren Seelsorger heute mit. Jetzt hofft man, dass die Krankenkassen einspringen werden, sagt Susanne Weichenhan, Referatsleiterin bei der Evangelischen Kirche. Sie wünscht sich, dass es wäre wie in Amerika. Dort gehören Pfarrer selbstverständlich zu einem therapeutischen Krankenhausteam dazu und werden aus den gleichen Kassen bezahlt wie die Mediziner.

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