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Berlin: Wenn den Weisen ein Licht aufgeht

So voll wie vor drei Monaten ist die evangelische Königin-Luise-Gedächtniskirche in Schöneberg natürlich nicht mehr. Die Gemeinde hat sich an ihren neuen Pfarrer gewöhnt, am Sonntag kommen noch zwei Dutzend Gläubige in das Gotteshaus auf dem Gustav-Müller-Platz.

So voll wie vor drei Monaten ist die evangelische Königin-Luise-Gedächtniskirche in Schöneberg natürlich nicht mehr. Die Gemeinde hat sich an ihren neuen Pfarrer gewöhnt, am Sonntag kommen noch zwei Dutzend Gläubige in das Gotteshaus auf dem Gustav-Müller-Platz. Und das, obwohl die Gemeinde das Fest der Erscheinung des Herrn (bei den Katholiken heißt das Dreikönig) in Ermangelung des gesetzlichen Feiertags bereits einen Tag vor dem 6. Januar feiert. Und obwohl Wolfram von Heidenfeld noch immer so gut predigt wie damals bei seinem Einsetzungsgottesdienst im Herbst.

So ist es eben ein kleines Häuflein, das sich die so oft gehörte Stelle aus dem Matthäusevangelium (2,1-12) auslegen lässt. Um die drei Weisen aus dem Morgenland geht es, die - so überliefert es die Bibel - nach den Hirten als erste das Kind in der Krippe als ihre Hoffnung erkannten.

Kaspar, Melchior und Balthasar sind also nicht nur Folklore oder drei Heilige, sondern Leitbilder für alle Menschen: Die Suche nach dem Stern und die Zeichen der Hochachtung vor einem Kind sind mehr als eine Legende, sagt Wolfram von Heidenfeld.

Er bringt in seiner ersten Predigt im neuen Jahr zwei Grundgedanken unter. Zunächst stellt er die biblische Überlieferung den Fragen der Gegenwart gegenüber, holt zu einer Art Neujahrsansprache aus. Das Kind, sagt er, „ist ein Bild von der Zukunft“, eine Vision, an der es der Gesellschaft heute fehle. Den geistigen und politischen Führungskräften im Lande müsse „ein Licht aufgehen“, dem sie zu folgen bereit sind - hoffnungsvoll und ohne genaue Kenntnis, was sie am Ziel erwartet. Wie die Weisen aus dem Morgenland, die auch nicht gerade mit einem Kind in einer Krippe gerechnet hatten und deshalb erst einmal bei Herodes nachfragten.

In zweiten Teil der langen, aber nie langatmigen Predigt erzählt Wolfram von Heidenfeld eine Parabel, die die Geschichte der drei Könige weiterführt. Drei gar nicht königliche Gestalten, sinniert von Heidenfeld, kommen nach den Königen beim Stall an. Sie haben keine Geschenke, aber an der Krippe erfahren sie, dass sie ihre Armut, ihre Gefangenheit und ihre Zweifel dalassen dürfen und darüber hinaus mit einer Vision belohnt werden, die ihnen fürderhin Kraft gibt. Denn sie haben die Erscheinung des Herrn erlebt. Und diese Erfahrung - hier kommen nicht nur die beiden Teile der Predigt zusammen, sondern auch die Lesung aus dem Epheserbrief klingt nochmals durch - ist allen möglich, nicht nur einem kleinen Club von Privilegierten.

Beim Apostel Paulus heißt es, „dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören.“ Auch wenn sie statt Gold, Weihrauch und Myrrhe nur viele Fragen mitbringen.

Jörg-Peter Rau

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