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Abgeladen. Viele Einzelhändler fühlen sich als Abladestation missbraucht - besonders zur Weihnachtszeit.

© dpa

Wenn der Laden zur Packstation wird: Berliner Einzelhändler rebellieren gegen Paketannahme

Kurz vor Weihnachten boomt der Versandhandel. Doch nicht nur die Paketzusteller haben viel zu tun: Oft fühlen sich Berliner Läden als Packstation missbraucht – und das auch noch von der Konkurrenz. Manche Ladeninhaber wollen da jetzt nicht länger mitmachen.

Sie sind die offiziellen Partner des Weihnachtsmannes – so wirbt der Paketdienst DHL jedenfalls gern im Winter für seine Zustelldienste. Ob der Weihnachtsmann selbst die Geschenke aber auch beim Nachbarn oder im Geschäft um die Ecke abgeben würde? Gerade in diesen Tagen sind viele Kunden genervt von sogenannten Ersatzzustellungen. Statt das Paket bequem bis zur Haustür geliefert zu bekommen, müssen sie oft erst danach fahnden. Sie sind nicht die Einzigen, die sich ärgern. Bei Nachbarn und in vielen Geschäften häufen sich Pakete fremder Empfänger, die Inhaber fühlen sich als Zustellungsdienstleister missbraucht – und das auch noch vom Versandhandel, der den Einzelhändlern Konkurrenz macht.

Stefan Klos führt ein Fachgeschäft für Sportbekleidung. „Ich sehe es nicht ein, dass wir für die Paketzusteller Dienstleister sind“, sagt er. Manchmal kämen riesige Kisten für Anwohner in seinem Laden an – dem „Spreeläufer“ in der Danziger Straße. „Aber ich bin doch nicht der Lagerraum für irgendwelche Paketversender.“ Besonders einen Versandhandel lehnt er kategorisch ab: „Von Zalando nehme ich nichts an, das kommt nicht infrage. Das ist doch meine eigene Konkurrenz.“

Läden wollen nicht als Gehilfen von Amazon und Zalando herhalten

Stefan Klos weiß auch um die schwierige Situation der Paketzusteller. Manchmal tue er ihnen den Gefallen und nehme doch mal ein Päckchen an. Und einmal hätte ein dankbarer Nachbar ihm eine Flasche Wein mitgebracht. „Es ist ja auch nett, dass man dadurch mal mit den Nachbarn ins Gespräch kommt. Und manche lernen den Laden so erst kennen“, erzählt Klos. Aber dann wieder kam ein Kunde, der seine Laufschuhe zurückbringen wollte – er hatte sie im Internet günstiger gefunden. „Die Leute lassen sich hier beraten und kaufen dann online“, sagt Klos.

Im Hamburger Grindelviertel schlossen sich gerade Einzelhändler zusammen, um die Annahme von Paketen zu verweigern. Sie wollten nicht länger als Gehilfen für ihre Wettbewerber Amazon und Zalando herhalten. Der Boykott war auf eine Woche beschränkt, aber er zeigte ein Problem des Einzelhandels auf.

Nebenjob des Einzelhändlers: Nachbarschafts-Paket-Abnehmer

Harry Schwan kennt es auch; er ist Inhaber des Geschäfts „Wasserzeiten“ im Prenzlauer Berg. Doch neben den Wasserfiltern, die er hier verkauft, türmen sich Pakete. Rund 20 Stück nimmt er jeden Tag für Anwohner entgegen, mehr als die Hälfte davon stammen von Amazon oder Zalando, schätzt Schwan. Irgendwann reichte es ihm, er stellte eine gläserne Schale und ein Schild auf: „Paket abholen? Danke für die Spende unserer ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe“. Wer nichts in die Kasse wirft, wird notiert – beim nächsten Mal nimmt Schwan dessen Paket nicht wieder an. „Wenn ich sehe, dass die Leute sich teilweise Küchenrollen schicken lassen, finde ich das einfach dreist“, meint Schwan. Ständig bekäme er den Zorn der Kunden ab – weil kein Kärtchen im Briefkasten war oder nicht geklingelt wurde. „Eigentlich habe ich doch nichts damit zu tun!“

Viele Händler können auch die Zusteller gut verstehen. „Viele bekommen Hungerlöhne, müssen dafür aber schwere Pakete in den vierten Stock tragen“, sagt Schwan. Weil die Kunden seine Geste, die Pakete für sie anzunehmen, bald als Selbstverständlichkeit ansahen, führte Schwan eine Spendenkasse ein. Und ab dem 23. Dezember wird sein Laden zum offiziellen Paketshop. Er erhält dann von DHL 20 Cent für ein Päckchen, 40 für ein Paket.

Acht Millionen Pakete bearbeitet die Post vor Weihnachten - pro Tag

„In der Hochphase kurz vor Weihnachten bearbeitet die Post in ganz Deutschland rund acht Millionen Pakete pro Tag“, sagt DHL-Sprecherin Tina Birke. In der Hauptstadt sind jeden Tag 900 Paketzusteller unterwegs, vor Weihnachten wurden zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. Einer von ihnen fährt seit drei Jahren seine Tour. „Gerade Buchhandlungen nehmen Amazon-Pakete nicht an“, erzählt er; seinen Namen will er lieber nicht nennen. Der Zusteller kennt die Geschäfte, die bereit sind, Pakete anzunehmen. „Die fahre ich dann gezielt an.“

Die Ware gilt als zugestellt, wenn die Benachrichtigungskarte ausgefüllt und eingeworfen ist, für den Zusteller ist die Arbeit damit erledigt. Die Verantwortung für das Paket trägt dann derjenige, der es angenommen hat. Nicola Rübsam, Inhaberin der Buchhandlung „BuchReigen“ in der Raumerstraße, nimmt trotzdem weiter Pakete an – unabhängig vom Absender. „Für die Zusteller ist es eine Hilfe und er nimmt dafür meine Post mit, die ich verschicken will.“

Die Regeln, wie ein Päckchen rechtzeitig an Heiligabend ankommt, lesen Sie hier.

Veronique Rüssau

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