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Berlin: Wenn die Fördergelder erst mal fließen

Der Unternehmer und CDU-Politiker Dirk Stettner ist des Betrugs angeklagt Im Prozess geht es um den Umgang der Berliner Verwaltung mit Subventionen.

Berlin - Deutlicher und ausführlicher konnte der Angeklagte kaum sagen, was er von der Anklage hält: Dirk Stettner, Abgeordneter, CDU-Politiker aus Pankow und als Unternehmer des Betrugs angeklagt, begann seine mehr als eine Stunde dauernde Aussage mit der „Feststellung, dass ich mit meinen Gewissen im Reinen bin. Ich habe nie jemand betrügen wollen, ich habe dies nicht geplant und ich habe niemanden betrogen“.

Betrug in einem besonders schweren Fall wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, deshalb steht Stettner seit dem Donnerstag vor Gericht, es sind noch mehrere Prozesstage anberaumt. Als Chef des Unternehmens „Wisowerk“ soll Stettner sich beim Integrationsamt der Stadt Berlin im Jahr 2006 in betrügerischer Absicht einen Kredit verschafft haben.

Das Wisowerk, eine Hausbaufirma, in der Stettner Schwerbehinderte beschäftigte, war zu dieser Zeit von der Insolvenz bedroht: Stettner zahlte die Löhne in Raten. Den Kredit über 100 000 Euro wollte er, um Liquiditätsprobleme zu lösen. Das Integrationsamt lehnte ab: Das entspreche nicht den Förderrichtlinien. Wenig später beantragte Stettner vom selben Integrationsamt einen Kredit über 100 000 Euro, um den Geschäftsbereich des Wisowerks zu erweitern: Vier neue Mitarbeiter wolle er einstellen, hieß es in seinem Förderantrag. Als Sicherheit bot er ein Geschäftshaus, das ihm gehört. Diesmal bekam er die 100 000 Euro.

Damit sind noch nicht alle Merkwürdigkeiten dieses Betrugs-Prozesses erwähnt, die am ersten Prozesstag zur Sprache kamen. Stettner, selbstbewusst, freundlich, leger im hellbraunen Sommeranzug, wies darauf hin, dass bei der später dann doch erfolgten Insolvenz des Wisowerks niemand einen Schaden erlitten habe. Alle Gehälter seien schließlich gezahlt worden. Er habe das Unternehmen im März für einen Euro verkauft, um einen Neuanfang möglich zu machen. Man sah den Staatsanwalt die Zähne zusammenbeißen, als Stettner den Ermittlern vorwarf, bestimmte Mails nachweisbar fälschlich mit bestimmten Wirtschaftsdaten für das Integrationsamt in Verbindung gebracht zu haben.

Warum das Integrationsamt erst ablehnte und dann doch zahlte – das ist die große Frage in diesem Verfahren. Zu deren Beantwortung konnte auch die zuständige Sachbearbeiterin am Donnerstagnachmittag nichts Entscheidendes beitragen. In Vermerken des Amtes hieß es, es sei nicht zu vermuten, dass sich Stettner seinen Verpflichtungen entziehen werde. Und das 100000-Euro-Darlehen, das der Wisowerk-Chef dann doch bekam, wurde ihm sogar mit der Aussicht gewährt, dass Teile davon in Fördermittel umgewandelt werden könnten – wenn es gelinge, dauerhafte Arbeitsplätze für Schwerbeschädigte zu schaffen. Es sei schwer, so die Fachfrau vom Integrationsamt, tatsächlich geeignete Schwerbeschädigte zu finden, die sich in den Arbeitsmarkt integrieren ließen.

Fragen bleiben – ein materieller Schaden aber ist dem Land Berlin nicht entstanden. In diesem Jahr hat Stettner den Kredit für das längst nicht mehr existierende Wisowerk zurückgezahlt. Für den Staatsanwalt ändert das nichts am Betrugsvorwurf: Die Anklage, sagt er, stand im Raum, als Stettner die Schuld beglich.

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