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Berlin: Wenn Engel weinen

Christina Rau spricht über ihr Lieblingsbild

Der Belcanto-Chor singt „Here’s a Season to be Jolly“ im Foyer der Gemäldegalerie. Manche Damen unter den 250 Gästen betonen die fröhliche Saison mit Weihnachtsbaumbroschen am Revers. Dann öffnen sich die Türen in das weihnachtlich dekorierte Museum voller großer alter Meister. Die vielen Marien- und Heiligenbilder in üppigen Farben passen zu dieser Saison tatsächlich besonders gut. Traditionell spricht beim „Vorweihnachtlichen Abend“ des Kaiser-Friedrich-Museums-Vereins, der als Inbegriff bürgerlichen Mäzenatentums gilt und zu den ältesten dieser Art zählt, ein Gast über sein Lieblingsbild. In diesem Jahr hat Christina Rau diese Rolle übernommen, die seit dem Tod von Ex-Bundespräsident Johannes Rau im Januar gewiss keine fröhlichen Zeit hinter sich hat. Allein ist das ihr erster größerer Auftritt in der Gesellschaft, und der Rahmen könnte nicht besser gewählt sein. Hier sind wohlhabende Berliner versammelt, die ihr Geld dafür geben, dass die Stadt reicher wird an frommen Bildern und Skulpturen, die das Wort „Advent“ noch im aktiven Wortschatz führen.

Trotzdem spürt man, dass es nicht leicht sein kann. Man merkt Christina Rau anfangs an, dass sie länger nicht vor großem Publikum geredet hat, und vor allem merkt man es an der Auswahl des Bildes: Botticellis „Heilige Maria mit Kind und singenden Engeln“ blickt so abgrundtief traurig und nach innen gewandt wie selten eine Mariengestalt. Sie erklärt das mit einem Lieblingszitat ihres verstorbenen Mannes, demzufolge Weihnachten die Engel weinen, weil sie die Passion in dem Kind vorausahnen, und Karfreitag lachen, weil die Auferstehung nahe ist. Sie zieht eine Parallele zu den Stars der Neuzeit. In diesem Museum kann man besonders gut sehen, dass über viele Jahrhunderte die größten Künstler ihrer Epochen sich immer wieder mit den gleichen Motiven beschäftigt haben: Mit biblischen Gestalten, mit Heiligen und vor allem mit Maria, die von Christen und Muslimen gleichermaßen als perfekte Frau verehrt wird. Christina Rau erinnert das daran, wie heute Leinwand- und Popstars von Lichtmaschinen makellos inszeniert werden. Das Bild von 1477 berühre sie in der aktuellen Phase ihres Lebens, sagt sie und wünscht den Versammelten zum Schluss ein Weihnachtsfest „voll Hoffnung und Zuversicht“. Dann singt der Belcanto-Chor „Stille Nacht“. Beim anschließenden Büfett zeigte sich, dass der Vortrag den Zuhörern zu Herzen gegangen war.

Der Vorsitzende des 109 Jahre alten Freundeskreises, Tessen von Heydebreck, findet später weitere Gründe, sich zu bedanken. Schließlich fördern die Mitglieder sowohl die Gemäldegalerie am Kulturforum als auch das Bode-Museum, das seit der Neueröffnung schon 100 000 Besucher zählte. Beim Voreröffnungsabend des Vereins wurden allein 90 000 Euro für die „Königliche Stifterin“ gespendet.

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