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Berlin: Wenn es eng wird und gefährlich

Allzu oft schlängeln sich Radfahrer ganz knapp an Autos vorbei – jetzt gab es wieder einen schweren Unfall

Der Platz zwischen Lastwagen und Bordstein reichte nicht. Kai S. geriet mit seinem Mountainbike unter die Räder eines Sattelschleppers, als er das schwere Fahrzeug rechts überholen wollte. Mit lebensgefährlichen Verletzungen kam der 32-Jährige am Dienstag ins Krankenhaus. Das letzte Rad des Lastwagens hatte ihn um 17.40 Uhr überrollt, direkt vor der Friedrichstraße 114, zwischen den Kreuzungen Torstraße und Oranienburger Straße.

Kai S. hatte es eilig. Auf der Heimfahrt in den Wedding wollte er an diesem Dienstagabend nicht hinter dem Lastwagen warten. An der Schlange der Fahrzeuge, die vor der Ampel standen, schlängelte er sich deshalb rechts vorbei. Prinzipiell dürfen Radfahrer das – im Gegensatz zu Motorradfahrern. Doch die Straßenverkehrsordnung macht Auflagen: „Ist ausreichender Raum vorhanden, dürfen Radfahrer und Mofafahrer, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen.“ So steht es in Paragraf 5, Absatz 8.

Doch die Realität sieht anders aus, klagt die Verkehrspolizei. Kein Abstand ist so gering, dass sich ein Radler nicht noch hindurchquetschen würde. „So fahren unsere Radfahrer doch alle“, sagte ein Beamter der Verkehrspolizei. Ein Leichtsinn, der Kai S. offenbar zum Verhängnis wurde. Zwar hat die Polizei bisher noch keinen der Zeugen befragt, die den Unfall gesehen haben. Doch es scheint schon jetzt sicher, dass bei Kai S. der Abstand zu gering war – etwa ein halber Meter, schätzt die Polizei. Das heißt: Der Radfahrer hat verbotswidrig überholt, den Unfall also verschuldet.

„Ausreichender Abstand“ ist im Gesetz nicht definiert. „1 Meter bis 1,50 Meter“, sagt Michael Zeilbeck, Unfallexperte der Berliner Polizei. Das hänge auch vom Können ab, bei sicheren Radlern, die gut die Spur halten können, reiche ein Meter. Auch bei genügend Platz sei das Rechtsüberholen nur erlaubt, wenn die Autos wegen eines Staus oder vor einer roten Ampel stehen oder extrem langsam fahren, erklärt Zeilbeck. Gefährlich seien allerdings Fahrzeuge, die plötzlich anfahren, weil die Ampel auf Grün gesprungen ist – und der Radler befindet sich gerade seitlich davon. Ob auch am Dienstagabend der Laster gerade bei grüner Ampel losgefahren war, konnte der Verkehrsunfalldienst der Direktion 3 noch nicht sagen. Dennoch sei die Regelung im Prinzip vernünftig, sagt Zeilbeck: „Warum sollen sich Radfahrer hinten im Stau anstellen?“

Dem 28 Jahre alten Lastwagenfahrer lastet die Polizei nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen keine Mitschuld an dem jüngsten schweren Radlerunfall an. Ungeklärt ist zwar noch, ob der Fahrer den Radfahrer im Rückspiegel schon gesehen hatte.

Der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs, Benno Koch, sagte, dass man vom Lastwagenfahrer verlangen könne, in den Rückspiegel zu schauen, bevor er losfährt. Ein zusätzlicher Außenspiegel, der mit einem Blick den gesamten seitlichen Bereich zeigt, könne solche Unfälle verhindern, sagte Koch. In den Niederlanden sei dieser Zusatzspiegel seit Anfang des Jahres vorgeschrieben, sagte Koch. Der klassische Radfahrunfall wird aber von rechts abbiegenden Lastwagen verursacht (siehe Kasten). Vier der zehn Radfahrer, die in diesem Jahr tödlich verunglückten, starben auf diese Weise.

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