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Berlin: Wenn Moses eine Liebste hat

AUFTRITT DER WOCHE Sakropop in XXL: Das Pop-Oratorium „Die zehn Gebote“ in die Wuhlheide. 500 Berliner singen mit

Ach, Moses war verheiratet? Das verblüfft selbst konfirmierte Christenmenschen. Moses, dem Gott im brennenden Dornbusch erschienen ist. Der die Israeliten aus ägyptischer Sklaverei führte und auf dem Berg Sinai die Gesetzestafeln mit den zehn Geboten empfing. Moses, der Juden und Christen die ethische Grundlage ihrer Religion und Kultur brachte, der stand gar nicht einsam zwischen Gott und Menschen, der hatte ein Frau. Doll.

Und jetzt sind die beiden auch noch Musicalstars – im Pop-Oratorium „Die zehn Gebote“, das kommenden Sonntag in der Freiluftbühne Wuhlheide zu sehen ist. Saftiger Sakropop in XXL, der von elf Profisängern als Solisten, einer Rockband, einem 40-köpfigen Sinfonieorchester und 500 Berliner Laiensängern aufgeführt wird.

Ein bisschen kitschig sei die Lovestory ja, finden Carola Kanter und einige ihrer Mitsänger vom Chor der Landeskirchlichen Gemeinschaft in Westend. Aber ohne so was funktioniere so eine Show eben auch nicht. Seit März liegt der Berg Sinai hier bei ihnen am Spandauer Damm. Dienstags ist Chorprobe bei den 20 von 500. In einem schmucklosen Nachkriegsbau auf dem Hinterhof. Die Stimmung ist super, das Halbplayback für die 19 Songs scheppert aus einem altersschwachen Ghettoblaster. Schadet nichts, Chorleiterin Carola Kanter feuert ihre Truppe an, in der Wuhlheide ist dann eh alles live. „Das wird noch kitzelig bei der Generalprobe“, grinst sie. Sie findet es cool, ein Chorprojekt mit biblischem Thema in großem, modernen Rahmen aufzuführen. So geht es auch Heike Sansoni, die davon im Radio gehört hat und mangels eigenem Chor extra aus Steglitz zum Mitmachen kommt. Oder dem Ehepaar Adamek, das „Die zehn Gebote“ schon beim Kirchentag in Dresden gesehen hat. Richtig nahe sei ihr das gegangen, sagt Krankenschwester Heike. Ihr Mann Ralf, ein Handwerksmeister, der sich im Blaumann verspätet in die Probe schleicht, nickt.

Der nächste Song heißt „Das goldene Kalb“. „Schluss mit Büßen und Bereuen / wir wollen uns freuen“, schmettern die Israeliten aus Westend. Und weil sich die Parts der Laiensänger meist als Refrainzeilen ins Libretto einfügen, hängt von ihrer Synchronität nie der komplette Song ab. Das hat Komponist Dieter Falk ganz geschickt gemacht. Der weiß eh wie’s geht. Rock, Pop, Soul – in seinen süffig- bombastischen „Zehn Geboten“ ist auch musikalisch alles drin. Und als Texter hat sich der Keyboarder, „Popstars“-Juror und Produzent von Musikern wie Pur, Nana Mouskouri oder Paul Young den deutschen Musicalkönig Michael Kunze dazu geholt.

Uraufgeführt wurde die von der Evangelischen Kirche Westfalen zum Festjahr Kulturhauptstadt Ruhrgebiet 2010 initiierte Show im vergangenen Jahr in der Westfalenhalle Dortmund. Da hat es der bekennende Christ und studierte Kirchenmusiker Falk sogar geschafft, 2500 Sänger zu mobilisieren. In Dresden waren es immerhin 1250. In Berlin habe man eigentlich auch mit 1000 gerechnet, sagt der hiesige Veranstalter Jürgen Hemerka vom Verein Unifireplan. „Aber in so einer Stadt ist der Glauben eben nicht so zu Hause.“ Hat offensichtlich nichts genützt, dass Bischof Markus Dröge Schirmherr ist. Die 54 Euro Mitsinggebühr, die die Sänger für Noten, T-Shirts und Kirchenmieten beispielsweise für die Hauptprobe vergangenen Sonnabend in Heilig Kreuz am Halleschen Tor zahlen müssen, schrecken eben auch ein bisschen ab. „Wir hätten gern ein paar Freikarten dafür gehabt“, sagen die Westender und hoffen, dass Sonntag wenigstens die T-Shirts passen. Die Hemdchen sind weiß und sollen bei der 120 Minuten langen Show als Projektionsfläche für Lichteffekte dienen. Der Falk sei schon ein irrer Motivator, sagt Carola Kanter, die ihn im Juni in Berlin bei einer Sängerprobe erlebt hat. Zur Aufführung kommt er mit seinen beiden Söhnen, die als Erzähler auf der Bühne stehen.

Und wie ist das jetzt mit Moses und Zipporah? Ersterer trägt kein weißes Wallehaar wie Charlton Heston im Hollywood-Film, sondern die professionelle Strahlkraft eines Musicaldarstellers. Michael Eisenburger ist regelmäßig im Theater am Potsdamer Platz als Udo Lindenberg in „Hinterm Horizont“ und andernorts auch als „Jesus Christ Superstar“ zu sehen. Und die schöne Prophetengattin Zipporah wird von Bahar Kizil von der Girlsgruppe Monrose gesungen. Gott selbst lässt sich entschuldigen. Otto Sander – die Stimme des Herrn – kommt nur vom Band.

Wuhlheide, Sonntag, 28. August, 18.30 Uhr, Karten 39–59 Euro, www.die10gebote2011.de

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